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Blog: Dokumentationszentrum Couragierte Recherchen und Reportagen

Jetzt bereits die 3. Steuerhinterziehungs-CD

Steuerflucht gilt hierzulande nicht mehr als „Kavaliersdelikt“, sondern wird inzwischen konsequenter geahndet. Meistens jedenfalls. Die Geschichte „Steueroase Hessen? Oder: 10 Steuerfahnder, die sich dagegen wehren“ zeigt, dass es zunächst auch anders laufen kann. Jetzt wird in Hessen ein Untersuchungsausschuss eingesetzt. Das DokZentrum hat die ganze Geschichte, einschließlich der ersten beiden Steuer-CD’s rekonstruiert …

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„Initiativkreis Bildung“

von Thomas Barth und Oliver Schwedes

zurück zum Start: Der Lockruf der Stifter

Bereits 1998 hatte die Bertelsmann-Stiftung den „Initiativkreis Bildung“ unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten Roman Herzog und mit Expertise aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und pädagogischer Praxis gegründet. Sein Memorandum „Zukunft gewinnen – Bildung erneuern“ von 1999 gleicht dem Bericht der NRW-Bildungskommission – neu ist nur der auf die spezifischen Interessen der Wirtschaft gerichtete Fokus. Gefordert wird die flexible lebenslange Vermittlung von Bildungsbausteinen in Form variabler Module für den Berufsalltag, gefördert durch eine pauschale, befristete Sockelfinanzierung für alle Studierenden, inklusive Bildungssparen und Darlehen. [14] Dieses Bildungsfinanzierungskonzept stammt von einer Expertenkommission des CHE und des „Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft“, der 1949 als Förderverein der deutschen Wirtschaft gegründet wurde. Als Lobbyorganisation verwaltet er für 21 Stiftungen fast das gesamte Stiftungsvermögen der Privatwirtschaft.

Der Stifterverband und das CHE legten 1999 ein Gesamtkonzept zur Neuordnung der Bildungsfinanzierung im Hochschulbereich vor, das in enger Zusammenarbeit mit dem „Initiativkreis Bildung“ entstand. Angesichts knapper Finanzausstattungen war das Ziel die Etablierung einer Anbieter-Nachfrager Beziehung, wobei die Beiträge der Studierenden 20 bis 30 Prozent der Ausbildungskosten bzw. 500 bis 1500 Euro pro Semester ausmachen sollen. Eine zwischen den Darlehensnehmer und die Bank geschaltete Studienkreditanstalt übernimmt Ausfallbürgschaften.

Aus alledem ergibt sich eine vielfältig verflochtene Akteurskonstellation, die sich massiv für eine durch Kommerzialisierung, unter anderem mittels Studiengebühren, und Privatisierung geprägte Bildungsfinanzierung einsetzt. Die Bertelsmann-Stiftung fungiert dabei als treibende Kraft. Ihre Verbindung mit den mehrheitlich konservativen Hochschulrektoren und dem „Stifterverband“ der Privatwirtschaft kann nicht verwundern, ihre Beziehung zur gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung und zur Heinrich-Böll-Stiftung der Grünen spricht dagegen für eine subtile Bündnistaktik.

Als eine Gewerkschaftsinitiative konstituierte sich 1997 der Sachverständigenrat Bildung der Hans-Böckler-Stiftung. Vorsitzender wurde Ex-GEW-Chef Dieter Wunder, der auch im „Initiativkreis Bildung“ der Bertelsmann-Stiftung tätig ist. Dazu gesellten sich Sybille Volkholz, ehemals bildungspolitische Sprecherin der Berliner Grünen, später Vorsitzende der Bildungskommission der Heinrich-Böll-Stiftung, sowie die dem CHE und Stifterverband nahe stehenden Professoren Klaus Klemm und Jürgen Lüthje. Im Oktober 1998 legte der Sachverständigenrat einen Vorschlag zur Bildungsfinanzierung vor, der Bildungskonten, Bildungsgutscheine, Bildungssparen sowie Bildungsdarlehen mit einer staatlichen Sockelfinanzierung kombiniert. [15] Dieses Modell ist nicht auf die Hochschule beschränkt, sondern soll schon nach der Pflichtschulzeit, also ab Sekundarstufe I, gelten. Auch die gymnasialen Oberstufe würde dann teilweise über private Bildungskonten finanziert.

Kurz nach der Veröffentlichung fand sich Dieter Wunder in der Bildungskommission der grünen Heinrich-Böll-Stiftung wieder, zusammen mit Cornelia Stern von Bertelsmann. [16] Im März 2001 legte dann auch die Bildungskommission der Heinrich-Böll-Stiftung ihre Vorschläge vor. [17] Die Notwendigkeit einer individuellen Finanzierung durch die Bildungsnachfrager wird von der Kommission mit den Anforderungen der Wissens- und Zivilgesellschaft begründet. Ein Prinzip angeblicher Nachhaltigkeit stützt sich explizit auf das Prinzip „Geld folgt Subjekten“, wie es von Stifterverband und CHE entwickelt wurde. Indem zukünftig den Bildungsnachfragern öffentliche Mittel zur Verfügung gestellt werden sollen, die vorher den Bildungseinrichtungen direkt zukamen, würde ihr individueller Kundenstatus gestärkt und ein Wettbewerb der Bildungsinstitutionen forciert. Bildungskonten, -sparen, -darlehen und -gutscheine finden sich auch hier und sollen, wie schon bei der Böckler- Stiftung, künftig auf das gesamte Bildungssystem auszuweiten sein.

Die hier vorgestellten, den aktuellen Bildungsdiskurs bestimmenden Vorschläge zur Bildungsfinanzierung stimmen weitgehend überein. Sie wollen die staatlich garantierte individuelle Kostenfreiheit im Bereich der institutionellen Finanzierung zu Gunsten eines privaten Beitragsmodells aufweichen. Am weitesten geht dabei seltsamerweise der Sachverständigenrat der gewerkschaftsnahen Böckler-Stiftung. Ihm folgend würde die individuelle Kostenfreiheit schon ab Sekundarstufe II, das heißt für die gymnasiale Oberstufe, aufgehoben und durch eine zehnprozentige Eigenbeteiligung ergänzt. Im Hochschulbereich soll die Eigenbeteiligung auf 30 Prozent gesteigert werden. Schließlich soll das Modell der Eigenbeteiligung auf den Primar- und Sekundarbereich ausgedehnt werden, sobald auch in diesen Bildungssegmenten Marktbedingungen etabliert sind. Sowohl der „Initiativkreis Bildung“ der Bertelsmann-Stiftung als auch der Stifterverband der Privatwirtschaft und das CHE propagieren, neben der privaten Teilfinanzierung über Bildungskonten, die Einführung von Studiengebühren.

weiterlesen: Erfolgreiche Lobbyarbeit unter Rot-Grün

Erschienen in Blätter für deutsche und internationale Politik (www.blaetter.de)

Literatur:

[14] Initiativkreis Bildung der Bertelsmann-Stiftung, Zukunft gewinnen – Bildung erneuern, Gütersloh 1999, S. 51.

[15] Sachverständigenrat Bildung bei der Hans-Böckler-Stiftung, Für ein verändertes System der Bildungsfinanzierung, Düsseldorf 1998.

[16] Die Böckler-Böll-Bertelsmann-Connection setzt sich aktuell im Netzwerk Europäische Lernprozesse (NELP) fort, vgl. dessen Manifest „Bildung für die Arbeits- und Wissensgesellschaft“, Hannover 2002.

[17] Heinrich-Böll-Stiftung, Bildungsfinanzierung in der Wissensgesellschaft, Berlin 2001.

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Realistisch, nicht befriedigend!

Debatten zur Energiewirtschaft

von Marc Alexander Holtz & Tim Kinkel

Nach Angaben der Deutschen Bundesregierung ist „der weltweite Energieverbrauch (…) gegenwärtig fast doppelt so hoch wie zu Beginn der 70er Jahre. Die wichtigsten Energieträger sind: Öl (34 Prozent), Kohle (24 Prozent) und Gas (21 Prozent). Erneuerbare Energieträger decken 14 Prozent, die Kernenergie 7 Prozent des globalen Energieverbrauchs“ (DIE BUNDESREGIERUNG 2007).

Die mit den vorhandenen Technologien erschließbaren Ölvorkommen gelten als rar und die Verknappung der Ressource steigert den Preis des wertvollen Rohstoffs. Der schrittweise Ausstieg aus der Kernenergie ist an und für sich beschlossen. Stein- und Braunkohle sind als Klimakiller gebrandmarkt.

Mit 300 Mio. Tonnen jährlichem CO2-Ausstoß durch die Nutzung fossiler Brennstoffe zur Energiegewinnung führt Deutschland die Rangliste der Kohlendioxid-Emittenten in Europa an. Politisch hat man Konzepte entwickelt, um sich längerfristig diesem Problem zu entledigen. Doch stoßen die politischen Interessen auf die der Energiewirtschaft. Die EU will den Anteil regenerativer Energien bis 2020 auf 20% anheben, die Bundesregierung hat diese Vorgabe um weitere 7% erhöht. Um dieses Ziel zu erreichen, wird ab 2008 die Vergabe von Emissionszertifikaten reduziert und damit die Energiegewinnung durch Kohle und Gas verteuert. Durch diese Maßnahme sollen Produzenten regenerativer Energien im Wettbewerb auf dem Strommarkt Vorteile entstehen. Gleichzeitig ergibt sich daraus der politische Appell an E.on & Co., künftig vermehrt in Technologien zur umweltfreundlichen Energiegewinnung zu investieren.

Vattenfall Europe setzt weiter auf Braunkohle: im Oktober 2007 kündigt die Konzernzentrale an, in der Lausitz drei neue Braunkohlegebiete zu erschließen. Dafür sollen fünf Dörfer der Kohle weichen und ca. 900 Menschen umgesiedelt werden. Politische Überzeugungsarbeit zur Erschließung der fossilen Gewinnquellen leistet Vattenfall mit der geplanten Investition in neue Verstromungstechnik, die bei gleich bleibender Stromproduktion deutlich weniger Kohlendioxid freisetzen soll. E.on und RWE haben ähnliche Vorhaben angekündigt, um vorhandene Energiequellen nicht aufzugeben und dennoch der politischen Forderung nachzukommen.

Diese Argumentationslinie, die politischen Klimaschutzziele erfüllen zu wollen und gleichzeitig den steigenden Energiebedarf zu decken, verfolgen die Stromriesen auch, wenn sie vor Gericht ziehen, um dort die Verlängerung der Laufzeiten ihrer Atomkraftwerke einzuklagen. Von der zusätzlichen Endlagerung radioaktiven Abfalls abgesehen, gelten nach der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) Kernkraftwerke als besonders emissionsarme Quellen der Stromerzeugung, so lange nicht ausreichend andere Energiequellen ohne Treibhausgasemissionen zur Verfügung stehen.

Nun sind die großen Stromproduzenten in Deutschland im Bereich der regenerativen Energien nicht untätig. RWE wie E.on beziehen einen nicht unbeträchtlichen Teil ihrer selbst produzierten Energie aus Wind- und Wasserkraft sowie aus Biogas und Biomasse. Der Düsseldorfer Stromanbieter E.on ist nach Angaben der Wochenzeitung Die ZEIT sogar größter Ökostrom-Produzent Deutschlands, europaweit strebt der Konzern eine führende Rolle an. Beim RWE-Konzern entspricht die aus regenerativen Energiequellen gewonnene Leistung inzwischen der von zwei Atomkraftwerken. E.on reagiert auf den zunehmenden politischen und gesellschaftlichen Druck sowie das zunehmende Umsatzpotential im Bereich der Ökostromgewinnung mit der Ankündigung einer Investition von 3 Mrd. Euro bis zum Jahr 2010 in den Ausbau „grüner“ Energieerzeugungsanlagen. Da es sich bei E.on & Co. um auf Effizienz und Gewinn ausgerichtete Konzerne handelt, werden die Investitionen vorwiegend dort getätigt, wo die Aktionäre diese Kriterien erfüllt sehen. Spanien, Frankreich und die britische Küste scheinen derzeit rentablere Standorte zu sein als das Heimatland selbst. Das Engagement bezüglich des deutschen Offshore-Pilotprojekts „Alpha Ventus“ in der Nordsee hält sich auf Grund der enormen Kosten für Windräder und das noch fehlende Transportnetz in Grenzen.

Nichtsdestotrotz kann die deutsche Branche der Erneuerbaren Energien eine imposante Entwicklung vorweisen. Im Jahr 2006 hat dieser Wirtschaftszweig 214.000 Menschen beschäftigt und einen Gesamtumsatz in zweistelliger Milliardenhöhe erwirtschaftet.

Um den Wettbewerb weiterhin anzutreiben, fordern Politiker europaweit eine Öffnung der Stromnetze. Nach der EU Kommission sollen die Netze unabhängigen Betreibern zugänglich gemacht oder vollständig ausgegliedert werden. Der Erfolg dieser Unternehmung setzt eine Zusammenarbeit auf internationaler Ebene voraus, wobei ein politischer Konsens der beteiligten Staaten in Bezug auf ihre Energiepolitik gefunden werden muss. Durch die Erweiterung des Wettbewerbs mit Hilfe von Deregulierungsmaßnahmen erhofft man sich eine sozialverträglichere Preispolitik von Seiten der Stromerzeuger. Sprich: niedrigere Strompreise für den Endverbraucher. Der Gefahr, dass die aktuellen Oligopolstrukturen des Energiemarktes den Stromerzeugern eine willkürliche Preisbildung erlauben, will man mit dieser Forderung entgegenwirken.

Durch die gegenwärtige Debatte um die Sicherung der Energieversorgung und die Höhe der Strompreise gerät der Aspekt des sparsamen Umgangs mit Energie auf Seiten der Nutzer immer weiter in den Hintergrund, „weil es einfacher ist, Politik für ein paar Energieanbieter zu machen als für Millionen Energiekonsumenten“ (DIE ZEIT, 13/2006 – Claude Mandil, Chef der internationalen Energieagentur). Solange die Verschwendung von Energie in den Millionen Haushalten Deutschlands, die bei Effizienzstudien des Statistischen Bundesamts deutlich wird, anhält, ist die vorrangige Diskussion um das Erschließen neuer Energiequellen, ob regenerative oder konventionelle, fraglich. Statt ausschließlich in neue Techniken zur Reduktion von CO2-Ausstoß bei der Kohlegewinnung, in Gerichtsverfahren zur Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken oder in Anlagen erneuerbarer Energien zu investieren, wären Teile der horrenden Ausgaben u. U. besser in Aufklärungskampagnen für sparsameren Stromverbrauch angelegt. Nach Angaben des Leiters der Politikabteilung der deutschen Umwelthilfe, Gerd Rosenkranz, bedeute Energieeffizienz, dass im Falle erfolgreicher Aufklärungsarbeit, ein ausgemustertes Kraftwerk einfach nur nicht ersetzt wird. Das klingt realistisch. Gegenüber den in Superlativen formulierten Versprechen der Energiewirtschaft und Politiker jedoch wenig befriedigend.

Dossier ENERGIE

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Vorschläge zur Strukturveränderung der Macht

von Philipp Fahr

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1. Positives Lobbying:

a) Platzierung von Informationen und gezielte Ansprache von Personengruppen zu Erneuerbarer Energien in Medien, Ministerien und Gesellschaft.

b) Vorbilder: Animation so viel wie möglich erneuerbare Energien vor Ort einzusetzen, um ein positiveres Image, weg vom reinen Öko-Image, der erneuerbaren Energien in der Gesellschaft zu verankern.

2. Beratung / Consulting:

Konsens gab es darüber, dass auch in Zukunft sich Politiker zusätzlich extern beraten lassen können, um maximale Informationen und Abwägungsmöglichkeiten zu erhalten. Jedoch sollte der Beratungsauftrag zeitlich begrenzt sein und zudem nur als Ergänzung der Aufgaben des Ministeriums gesehen werden durch den gezielten Einkauf von Expertise. Beispielsweise sollten die Ausarbeitung von ganzen Gesetzesvorhaben nicht an Beratungen ausgelagert werden.

3. Code of Conducts:

a) Alle Politiker/Abgeordneten haben ihre Nebeneinkünfte und ihr sonstige Engagements in Interessenvereinigung offen zu legen. (Transparenz)
b) Sie dürfen Nebentätigkeiten haben, auch in der Branche, für die sie zuständig sind.
c) In der Diskussion stand, ob sie dafür Geld erhalten dürfen bzw. Diäten/Pensionsansprüche dementsprechend gekürzt werden.
d) Kodex: Idee ist, daß Politiker, die für einen bestimmten Bereich zuständig sind, z.B. Energiesektor, nach dem Ausscheiden aus der Politik mindestens eine gewisse Karrenzzeit, z.B. 5 Jahre, nicht in dieser Branche in der freien Wirtschaft arbeiten oder beratend tätig sein dürfen, um damit Korruption zu verhindern (siehe Kodex der E- Kommission). Es gab keinen Konsens über diesen Vorschlag, weil damit eventuell auch Wechsel in den Sektor z.B. der erneuerbare Energien behindert wird. Zudem gab es auch die Befürchtung, daß solch eine Regelung ein Hinderungsgrund für das Engagement als Politiker von Personen aus diesem Bereich weniger schmackhaft macht (Gefahr eines nicht mehr repräsentativen Parlaments aus Berufspolitikern). Es gab auch keinen Konsens darüber, daß, wenn es zu so einen Kodex kommen würde, dies alle Politiker oder nur Mitarbeiter eines bestimmten
Ministerium betreffen sollte.

4. Parteispenden:

Spenden von Privatunternehmen an politische Parteien sollten generell verboten werden (wie
z.B. in Frankreich).

Philipp Fahr, 28, Doktorand, Fakultät für Mathematik, Universität Bielefeld

INHALTSVERZEICHNIS ENERGIE

Filed under: Deutschland, Lobbyismus, Macht, Politik, Stromwirtschaft, Wirtschaft

Eliterekrutierung in Deutschland

von Philipp Fahr

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Die Forschungsergebnisse von Prof. Dr. Michael Hartmann in der Elitesoziologie [7, 9] wurden von den Medien aufmerksam verfolgt. Allerdings: je öfter über Elite gesprochen wird, desto weniger scheint klar zu sein, was mit Elite gemeint ist. Mit Elite, einem vom französischen Wort élire (auswählen) stammenden und seit dem 17. Jahrhundert in Frankreich geläufigen, seit dem 18. Jahrhundert auch in die deutsche Sprache übernommenen Begriff wird dort eine soziale Gruppe bezeichnet, die sich durch hohe Qualifikationsmerkmale sowie durch eine besondere Leistungsfähigkeit und Leistungs-bereitschaft (Brockhaus Enzyklopädie) beziehungsweise durch besonderen Wert oder Leistung auszeichnet (Meyers Enzyklopädisches Lexikon) und zudem die gesellschaftliche Entwicklung maßgeblich bestimmt.

In der derzeitigen Forschung konzentriert man sich auf die sogennanten Gesellschaftseliten in Wirtschaft, Politik und Verwaltung. Als Elite im weiteren Sinne gelten Mitglieder der ersten Führungsebene von Unternehmen ab 150 Beschäftigten, Politiker vom Oberbürgermeister einer bedeutenden Großstadt oder einem Landesminister aufwärts, Juristen vom Vizepräsidenten eines Landgerichts oder einem Oberlandesgerichtsrat aufwärts und Professoren.

Laut Hartmann ist, wie oft in England und Frankreich, auch in Deutschland die Herkunft ausschlaggebend: Wenn Spitzenpositionen besetzt werden ist entscheidend, daß man aus dem gleichen Milieu wie derjenige stammt, der den Posten vergibt. Das Arbeiterkind Schröder als Bundeskanzler ist die Ausnahme, auch wenn die Politik als vergleichsweise offen und durchlässig gilt, vor allem im Vergleich zu Spitzenpositionen in der Wirtschaft und zu anderen Ländern.

Die Strategie ist wie folgt: Die soziale Offenheit einer Gesellschaft und ihrer Eliten muß nur prinzipiell gegeben sein, um von funktionalen Leistungseliten sprechen zu können. Prinzipiell heißt in diesem Zusammenhang, daß der Aufstieg in die Spitzenpositionen jedem möglich sein müsse, der die geforderte Leistungsqualifikation erwerben kann. Die Realität hingegen zeigt eine ausgesprochen selektive Sozialrekrutierung der Eliten. Unter anderem ist ein Hochschulabschluss mittlerweile eine unabdingbare Voraussetzung für die Besetzung einer Spitzenposition. Drei von vier Elitemitgliedern haben ein Studium absolviert, und immerhin einer von vieren hat promoviert.

Philipp Fahr, 28, Doktorand, Fakultät für Mathematik, Universität Bielefeld

weiterlesen: Hartmanns Ergebnisse

weiterlesen: Hauptrekrutierungskriterium: Der Habitus

Anhang: Erklärung der Bundesregierung

weiterlesen: Vorschläge zur Strukturveränderung der Macht

Dossier ENERGIE

Literatur:

[7] Hartmann, Michael: Elitesoziologie. Campus Verlag 2004.

[9] Hartmann, Michael: Topmanager – die Rekrutierung einer Elite. Campus Verlag 1996.

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Energiepreise

von Philipp Fahr

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Vier große Konzerne beherrschen die deutsche Energiewirtschaft, RWE, E.ON, Vattenfall Europe und EnBW mit ihren Tochtergesellschaften. Diese Macht jedenfalls geht zu Lasten von Haushaltskunden, denn unter anderem verhindern die Energieriesen einen funktionierenden Wettbewerb. Wir erleben seit einigen Jahren, daß die Energiepreise, vor allem beim Gas und Strom, überdurchschnittlich gestiegen sind. Wie konnte es dazu kommen? Viele Faktoren spielen eine Rolle, sicher auch die traditionelle Anlehnung des Gaspreises an den Ölpreis. Beim Srrom muß jedoch die quasi-Monopolstellung als größter Faktor angesehen werden. Es konnte zu dieser Monopolstellung und damit den gestiegenen Preisen kommen, weil viele Politiker es jahrelang zugelassen haben. Die Preissteigerungen haben eine Ursache in der vielfältigen Verflechtungen zwischen Versorgungswirtschaft, Politik und Verwaltung. Die Stromkonzerne haben sich über Jahrzehnte Macht und Einfluss gekauft. Bei der Genehmigung der Ruhrgas- E.ON Fusion sind Wirtschaftsministerium und Kanzleramt bis an den Rand des Rechtsbruchs gegangen, um die Wünsche der Stromwirtschaft zu erfüllen. Gegen das Risiko der Vermischung von Entscheidungskompetenz und Eigeninteressen können aber Regelungen und Sanktionen mit deutlich abschreckender Wirkung helfen, z.B. Verlust des politischen Mandats oder der simplen Anforderung, daß man nicht in der Branche arbeiten darf, für die man vorher zuständig war.

Tatsache ist: Die Strom- und Gaspreise steigen seit Jahren, zuletzt sogar um zweistellige Prozentraten. Zu viel, nämlich ca. 1/3 vom Strompreis, berechnen die Lieferanten allein für Netznutzung. In diesen Bereichen gibt es kaum Wettbewerb. Die Verbraucher vertrauen auf das integere Verhalten von Medien, Politik und Verwaltung, im Interesse der Verbraucher und nicht der Versorgungswirtschaft zu handeln. Leider oft zu unrecht.

Was können die Verbraucher tun? Viele Verbraucherzentralen empfehlen mittlerweile Klage gegen die erhöhten Rechnungen zu erheben. „Man könne nur kollektiv vorgehen, indem man die Preiserhöhungen nicht akzeptiert“, meint Dr. Aribert Peters vom Bund der Energieverbraucher. Schließlich hat die Politik in diesem Bereich ihre Verantwortung gegenüber dem Wähler vergessen.

Die Einflüsse der Strom- und Gaswirtschaft auf Politik, Verwaltung und Medien sind vielfältig:

• Als Spender für politische Parteien.
• Die meisten Bürgermeister und Stadträte sind über Ämter in Aufsichtsräten oder Beiräten mit
der Versorgungswirtschaft verflochten.
• Kommunen sind finanziell auf die Einnahmen aus Beteiligungen an Versorgungsunternehmen
angewiesen.
• Ranghohe Politiker und Beamte wechseln in gutbezahlte Beschäftigungen der Versorgungswirtschaft oder haben gutdotierte Beraterverträge;
• Und schließlich: in den Medien tritt die Energiewirtschaft als großer Anzeigenkunde auf. Dies
hat unter anderem zum bekannten Spiegel-Windkraft-Skandal geführt, wo ein klar gegen die Öko-Energie tendierenden Artikel erschien [11].

All dies wird bezahlt mit dem Geld der Energieverbraucher. Es ist bekannt wie Lobbyisten sehr erfolgreich Medienarbeit leisten. Sie schaffen es, die Interessen der Wirtschaft so flächendeckend in den Medien unterzubringen, daß bei einem Blick in die Zeitungen manchmal das TINA-Syndrom aufkommen könnte: There is no alternative – es gibt keine Alternative zu den Ansichten der Wirtschaft. Eindeutig ist nur: Kaum ein Gesetz tritt heute in Kraft, ohne daß ein Interessenvertreter daran mitgearbeitet hätte [4]. Der Staat wird unterwandert oder sogar offen außer Kraft gesetzt, wenn Konzerne im Bundeswirtschaftsministerium die „inhaltliche Führung“ übernehmen. Wenn Beamte und Minister vor allem dem Prinzip der Klientelpolitik folgen, egal ob davon Umweltorganisationen oder Energiekonzerne profitieren. Klientelpolitik mündet in eine nicht kontrollierbare und nicht transparente Verflechtung von Staat und Privatwirtschaft. Sie begünstigt Korruption und zerstört langfristig den Staat.

Die Probleme um Energie, Energieversorgung und Energiekonzerne können nicht gelöst werden, wenn nicht gleichzeitig damit verbundene machtpolitische Fragen gelöst werden. So wie es derzeit aussieht ist dies die dringendste Frage, die es zu klären gilt. Macht und Energie sind derzeit so unzertrennlich miteinander verschlungen, daß dies zum Schaden aller führt, außer denen, die damit ihr Geld verdienen. Und natürlich schadet es der Umwelt, weil neue, anfangs kostenintensivere, umweltschonende Maßnahmen auf die lange Bank verschoben werden. Daher muss die Struktur der Macht verändert werden. Eine Möglichkeit wäre eine neue dezentrale Energiestruktur.

Philipp Fahr, 28, Doktorand, Fakultät für Mathematik, Universität Bielefeld

weiterlesen: Eliterekrutierung in Deutschland

weiterlesen: Hartmanns Ergebnisse

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Anhang: Erklärung der Bundesregierung

weiterlesen: Vorschläge zur Strukturveränderung der Macht

Dossier ENERGIE

Literatur:

[4] Gammelin, Cerstin & Hamann, Götz: Die Strippenzieher, Manager, Menister, Medien –
wie Deutschland regiert wird. Econ-Verlag, Dezember 2006.

[11] Niggeschmidt, Martin: Die Lamstedt-Connection, message, S.66-71, Ausgabe 3/2004.

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Macht und Energiekonzerne

von Philipp Fahr

zurück zum Start: Die Rolle von Eliten im Energiebereich

Bezüglich der Energiekonzerne ist deren de facto Monopolstellung ein weiteres Problem: Einer wirkliche Liberalisierung und Öffnung des deutschen Energiemarktes ist man keinen entscheidenden Schritt vorangekommen, so daß sogar die EU-Wettbewerbskommissarin, Neelie Kroes, einschreiten mußte. Sie ordnete im Juni 2006 Durchsuchungen bei deutschen Energiekonzernen an und hoffte bei diesen Razzien Beweise zu finden, die den Verdacht auf regionale Gebietsabsprachen erhärten, wie z.B. bei E.ON und RWE vermutet. Die Energiemärkte sind von einem speziellen Selbstverständnis großer Konzerne geprägt, die es als Ex-Monopolisten für eine Zumutung halten, dem Wettbewerb ausgesetzt zu sein. Sie argumentieren gar damit, daß die notwendige Versorgungssicherheit Wettbewerb schlicht ausschließe [11, 4]. Vor allem profitieren die Konzerne aber davon, daß Netz und Versorgung in der Regel nicht getrennt sind und sie deshalb von potentiellen neuen Anbietern überhöhte Durchleitungsentgelte verlangen können [10]. Die Durchleitungsschwierigkeiten neuer Anbieter verschaffen Konzernen wie E.ON ohne Absprachen schon Gebietsschutz, denn vier
Stromanbieter verfügen über das gesamte deutsche Stromnetz [10].

Zeitlich parallel zur Liberalisierung des Elektrizitätsmarktes schluckten insbesondere E.ON und RWE viele Stadtwerke. Dies geschah teilweise auch durch zwischengeschaltete Konzerntöchter wie der E.ON-Tochter Thüga. Von den etwa 900 Stadtwerken in Deutschland haben bisher rund 200 den beiden großen Verbundunternehmen E.ON und RWE eine Minderheitsbeteiligung von mehr als zehn Prozent eingeräumt. Diese Beteiligungen sichern den Stromabsatz der beiden Giganten ab: Die Stadtwerke beziehen den Strom vom jeweiligen Energiekonzern, statt selbst Kraftwerke zu bauen.

E.ON erzeugt ca. 30% ihrer Stromerzeugung mit Hilfe von Kernkraftwerken. Das entspricht dem bundesweiten Durchschnitt von ungefähr 30% Kernkraft, 60% fossile Energieträger und derzeit etwas über 10% erneuerbare Energien.

Der Präsident des Deutschen Atomforums seit April 2004, Walter Hohlenfelder, im Hauptberuf seit Juli 2000 und bis vor kurzem Vorstandsmitglied der E.ON Energie AG. Er wies öffentlich den CDU-Vorschlag zurück, Zusatzgewinne aus längeren Laufzeiten für Kernkraftwerke zum Teil in niedrigere Strompreise zu verwandeln. „Der Preis bilde sich am Markt und so solle es auch bleiben.“ [5]

RAG-Chef Werner Müller, der einst als Wirtschaftsminister in der Regierung Gerhard Schröder den Atomkonsens mit aushandelte, hält sogar neue Meiler für nötig. Zitat: „Wir werden um den 10 Neubau von Kernkraftwerken nicht herumkommen.“ [16].

Philipp Fahr, 28, Doktorand, Fakultät für Mathematik, Universität Bielefeld

weiterlesen: Energiepreise

weiterlesen: Eliterekrutierung in Deutschland

weiterlesen: Hartmanns Ergebnisse

weiterlesen: Hauptrekrutierungskriterium: Der Habitus

Anhang: Erklärung der Bundesregierung

weiterlesen: Vorschläge zur Strukturveränderung der Macht

Dossier ENERGIE

Literatur:

[4] Gammelin, Cerstin & Hamann, Götz: Die Strippenzieher, Manager, Menister, Medien –
wie Deutschland regiert wird. Econ-Verlag, Dezember 2006.

[5] Gammelin, Cerstin: Gut vernetzt, Artikel erschienen in DIE ZEIT Nr. 34, 18.8.2005.

[10] Liedtke, Rüdiger: Das Energie-Kartell. Das lukrative Geschäft mit Strom, Gas und
Wasser, Eichborn; April 2006.

[11] Niggeschmidt, Martin: Die Lamstedt-Connection, message, S.66-71, Ausgabe 3/2004.

[16] DIE ZEIT Nr. 15, S.24, 4. April 2007.

[19] Günter Karweina: Der Stromstaat, Bertelsmann Verlag, 1989 & Der Megawatt Clan.
Geschäfte mit der Energie von morgen, Goldmann Wilhelm GmbH, 1985.

 

 

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Machtpersonen in Politik und Parteien

von Philipp Fahr

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Es ist also klar, daß die deutsche Energiewirtschaft ein ökonomisches und politisches Machtkartell bildet, das demokratiegefährdende Formen angenommen hat. Ein enges Geflecht von wirtschaftlichen und personellen Abhängigkeiten sichert die Machtposition innerhalb von Staat und Gesellschaft ab.

Was wir schon mal festhalten können ist, daß die Marktmacht der großen Stromversorger RWE, E.ON, EnBW, Vattenfall und Ruhrkohle AG durch die Politik nicht geschwächt, sondern gerade durch die Kontakte der Politiker a.D. noch gestärkt wird. Erstaunlich ist dabei, daß die gleichen Politiker in ihren Parteien oft freie Hand hatten was die Energiepolitik betrifft. Es muß als Schlag ins Gesicht der Wähler bewertet werden, daß die gleichen Leute in einer Partei Programme zu regenerativen Energien ausarbeiten lassen, in Parteiprogrammen von der Zukunft der sauberen Energiewirtschaft sprechen und sogar Ausschüsse zu Korruption und Umwelt einsetzen, nur um kurze Zeit später in die Energiewirtschaft in hohe Posten das genaue Gegenteil dessen umsetzen, wofür sie sich angeblich als Politiker stark gemacht hatten. D.h. diese Akteure, und die Liste ist ja lang und parteiübergreifend – auch bei Parteien, bei denen man den Glauben an vernünftige Energiepolitik noch nicht verloren hat – sind die gleichen, die die Umsetzung dieser Ziele nachweislich direkt in Unternehmensspitze und in der Verbindung zur Lokalpolitik verhindern.

Es scheint, als diene die ökologische Programmarbeit innerhalb einer Partei nur der Besänftigung der Parteiseele, der Basis und zur Beruhigung der Wähler. Der Kreislauf zwischen Politik und Unternehmen ist perfekt, wenn man bedenkt, daß Unternehmen wie die Ruhrkohle AG im April 2006 Großspenden von €100.000 und €70.000 an die SPD und CDU überwiesen hat [12]. Verantwortlich für die Spende: Dr. Werner Müller. So wird auch nach dem Ausscheiden aus der Politik garantiert, daß die Nachkommenden wissen wo das Geld herkommt. Man bedenke auch, daß die Kohlesubvention, die die Ruhkohle AG vom Bund und Land erhält immer noch nicht ausgelaufen ist. Zeitungstitel wie Energiegipfel lief wie geschmiert erscheinen plötzlich in ganz anderem Licht [12]. Man sollte hier noch betonen, daß der Versicherungskonzern Allianz, Großaktionär der Atomkraftwerksbetreiber RWE und E.ON ebenfalls Großspender der SPD und CDU ist.

Wie geht es weiter? RWE-Chef Bonekamp äußerte sich so: eine Möglichkeit, niedrigere Energiepreise durchzusetzen, könnte eine Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke in Deutschland sein. Er sehe den deutschen „Sonderweg“ zu einem Ausstieg aus der Atomkraft skeptisch, da in anderen Ländern die Atomkraft ausgebaut werde [14]. Auch große Chemie-, Auto- und Metall-Konzerne, und auch die Deutsche Bahn sprechen sich an der Seite der Energiewirtschaft für angeblich billigen Atomstrom und gegen erneuerbare Energien aus. Gewerkschaften, vor allem die IG Bergbau, Chemie, Energie, die die Belegschaften der Chemieindustrie (z.B. Degussa) wie des Bergbaus (z.B. Ruhrkohle AG) vertritt, unterstützten diese Politik. Und eine Deutsche Bank wird kaum Großaktionär bei einem Atomkraftwerksbetreiber wie EnBW, wenn sie nicht an die Zukunft dieser Technologie glauben würd. Die Vernunft würde bei geplantem Atomausstieg wohl eher von Investments dort zurückschrecken. Schon immer gab es ein Geflecht von personellen Verbindungen und Abhängigkeiten, vom Minister bis zum Kommunalpolitiker [19], aber heutzutage hat es ein gigantisches Verhältnis angenommen. Selbst einige Oberbürgermeister wie die von Essen, Dortmund und Oberhausen sitzen gleichzeitig im Aufsichtsrat von RWE. Die Verflechtung von Politik und Energiewirtschaft ist als aller erstes aufzubrechen, sonst wird sich keine Änderung einstellen können. Viele Politiker erhalten neben ihrer Tätigkeit als Abgeordnete „Gehälter“ für keine oder nur geringfügige Tätigkeiten von Energiekonzernen wie RWE. Ein Bundestagsabgeordneter sagte einmal anonym: „Wenn ich mit Kollegen rede, weiß ich oft nicht, welchen Hut die gerade aufhaben: den von Vattenfall etc. oder den des Abgeordneten. Das lässt sich oft nur anhand der Nebentätigkeiten verfolgen.“ [3]

Noch ein Beispiel: Das kürzlich aus dem Vorstands der E.ON Energie AG ausgeschiedene Walter Hohlenfelder, arbeitete von 1975 bis 1980 im Innenministerium des Landes Nordrhein- Westfalen als persönlicher Referent des Ministers. Von 1980 bis 1985 hatte er diverse Funktionen im Bundesinnenministerium inne. Anschließend wechselte er als Geschäftsführer zur Gesellschaft für Reaktorsicherheit. Darauf folgte von 1986 bis 1994 eine Tätigkeit als Ministerialdirektor im Bundesumweltministerium für „Reaktorsicherheit, Strahlenschutz und nukleare Entsorgung“ (Aufsichtsbehörde). In den Jahren 1994 bis 1999 arbeitete er als Generalbevollmächtigter der Veba AG in der Wirtschaftspolitik. Seit Juli des Jahres 2000 ist er Vorstandsmitglied bei der E.ON Energie AG (Betreiber etlicher Atomkraftwerke in Deutschland) und übernahm parallel dazu, im April 2004, das Amt des Präsidenten des Deutschen Atomforum e. V., dem bedeutendsten Interessenverband pro Atomenergie in Deutschland.

Wie wir an zahlreichen Beispielen sehen konnten, kommt es häufig vor, daß Personen im Laufe ihrer Karriere zwischen Unternehmen, Ministerien beziehungsweise Aufsichtsbehörden sowie relevanten Interessenverbänden hin und her wechseln. Dies führt natürlich zu Konflikten zwischen verantwortlicher Berufsausübung und persönlicher Karriereplanung. Das gilt vor allem während der direkten Zuständigkeit. Es scheint, daß vor allem die SPD die Energieversorger als Endlager für Kommunal- und Landespolitiker benutzt. Man könnte das Herrschaftssystem von SPD so beschreiben: Die Politiker setzen die Vorstellungen der Konzerne um, und wechseln dann für die letzten zehn Jahre ihrer Karriere auf einen lukrativen Posten bei den Energieversorgern.

Philipp Fahr, 28, Doktorand, Fakultät für Mathematik, Universität Bielefeld

weiterlesen: Macht und Energiekonzerne

weiterlesen: Energiepreise

weiterlesen: Eliterekrutierung in Deutschland

weiterlesen: Hartmanns Ergebnisse

weiterlesen: Hauptrekrutierungskriterium: Der Habitus

Anhang: Erklärung der Bundesregierung

weiterlesen: Vorschläge zur Strukturveränderung der Macht

Dossier ENERGIE

Literatur:

[3] Corbach, Matthias: Der lange Arm der Energiewirtschaft, April 2005
Corbach, Matthias mit Ruth Brand: Akteuere in der Energiepolitik, in: Reiche, Danyel:
Grundlagen in der Energiepolitik, S. 251-277, Frankfurt, 2005

[14] Focus online, Energie-Versorger drohen mit Investitions-Stopp, 13.09.2006.

[17] DER SPIEGEL Nr.10, Der Staat Gasprom, Putins Energie-Imperium, 5.3.2007.

[18] Roth Jürgen: Der Deutschland-Clan, Das skrupellose Netzwerk aus Politikern,
Top-Managern und Justiz. Eichborn, Frankfurt a.M., Mai 2006.

[19] Günter Karweina: Der Stromstaat, Bertelsmann Verlag, 1989 & Der Megawatt Clan.
Geschäfte mit der Energie von morgen, Goldmann Wilhelm GmbH, 1985.

 

 

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Gasprom (Gazprom)

von Philipp Fahr

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Mittlerweile spielt der russische Mischkonzern Gasprom in der EU eine immer wichtigere Rolle, nicht nur als wichtigster Gaslieferant Deutschlands, sondern seit kurzem auch als Sponsor von Sportveranstaltungen und der Fußballmannschaft Schalke 04. Gasprom ist mittlerweile an der Börse das teuerste Unternehmen Europas (Wert über 230-290 Milliarden US-Dollar im März 2007) und an fünfter Stelle weltweit (hinter den Konzernen Toyota, Microsoft, General Electric und Exxon Mobil) [17]. Damit ist Gasprom mehr wert als das Bruttosozialprodukt von 165 der 192 in der UNO vertretenden Nationen. Gasprom kontrolliert ein Sechstel der weltweiten Erdgasreserven und hat die Macht die Wohnungen Westeuropas mit dem Zudrehen seiner Hähne erkalten zu lassen. Sein Anteil am BIP in Russland beträgt über 8%. Gasprom hat knapp 400.000 Mitarbeiter, 44 Mrd. Dollar Jahresumsatz und 2006 ein Gewinn nach Steuern von 7,5 Mrd. Dollar eingefahren.

Deutschlands Gas hängt vor allem an den Netzen Norwegens und Russlands. Gasprom liefert ca. 30% des deutschen Gases, aber Deutschland ist größter und damit wichtigster Kunde von Gasprom. Estland und die Slowakei hängen zu 100% am Gaspromnetz. Griechenland zu 80% und Polen zu ca. 60% [17].

Im Fall Gasprom sind Wirtschaft und Politik moch enger miteinander verbunden, als die oben genannten Beispiele in Deutschland. Der stellvertretende Ministerpräsident Russlands, Dimitri Medvedev ist gleichzietig Aufsichtsratschef von Gasprom. In dem Gremium sitzen außerdem Wirtschaftsminister German Gref und Industrieminister Viktor Christenko, die auch dem derzeitigen Kabinett Putins angehören. Noch markanter aber ist, daß der derzeitige Vorstandsvorsitzender von Gasprom, Miller, früher unter seinem Chef Vladimir Putin in der Stadtregierung von St. Petersbourg im Kommitte für Auslandsbeziehungen Karriere machte. Parallelen zum Verhältnis Tacke-Müller tun sich auf. Vor Miller und direkt nach Jelzins Machtergreifung 1989, war Viktor Tschernomyrdin Gasprom-Chef. Davor, zu Zeiten der Sowietunion war Tschernomyrdin Gasminister. Unter Jelzin wurde er dann Ministerpräsident. Im Juni 1999 wurde Tschernomyrdin wieder Gaspromaufsichtsratsvorsitzender, bevor Putin ihn durch Miller ersetzte und Tschernomyrdin später Botschafter in Kiev werden ließ [17,18]. Der Ukraine drehte Gasprom Anfang 2005 teilweise den Gashahn ab, mit Hinweis auf Dumpingpreise, die die Ukraine bisher angeblich zahlte. Ein Schelm wer böses dabei denkt, daß ausgerechnet der russische Botschafter in der Ukraine, Tschernomyrdin, die Verhandlungen so zum Abschluß brachte, daß Kiev seitdem mehr für Gas an Gasprom zahlt.

Am schlimmsten ist aber, daß – nach Schätzung des Moskauer Journalistenverbandes – Gasprom direkt und indirekt zwei Drittel der russischen Presse kontrolliert.

Die Verbindung Gerhard Schröders zu Gasprom und der Ostseepipeline wurde bereits erwähnt, allerdings ist Schröder nicht mehr Putins wichtigste Kontaktperson in Deutschland, sondern Dr. Burckhard Bergmann. Dieser ist Chef von E.ON Ruhrgas und bereits seit längerem ebenfalls Mitglied des Aufsichtrates bei Gasprom in Moskau. E.ON ist mit 6,4% (d.h. mit ca. 16 Mrd. Dollar, März 2007) an Gasprom beteiligt. E.ON ist auch einer der größten Gasabnehmer Gasproms in Deutschland. Zu allem Überfluß hat Putin im November 2006 den E.ON Manager Bergmann zum Honorarkonsul für Nordrhein-Westfalen ernannt, mit dem Kommentar: „Sie sind jetzt mein wichtigster Mitarbeiter in Deutschland“ [17].

Philipp Fahr, 28, Doktorand, Fakultät für Mathematik, Universität Bielefeld

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weiterlesen: Eliterekrutierung in Deutschland

weiterlesen: Hartmanns Ergebnisse

weiterlesen: Hauptrekrutierungskriterium: Der Habitus

Anhang: Erklärung der Bundesregierung

weiterlesen: Vorschläge zur Strukturveränderung der Macht

Dossier ENERGIE

Literatur:

[17] DER SPIEGEL Nr.10, Der Staat Gasprom, Putins Energie-Imperium, 5.3.2007.

[18] Roth Jürgen: Der Deutschland-Clan, Das skrupellose Netzwerk aus Politikern,
Top-Managern und Justiz. Eichborn, Frankfurt a.M., Mai 2006.

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