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Blog: Dokumentationszentrum Couragierte Recherchen und Reportagen

Ranking und Rating:

Lieblingskind Studiengebühren

von Thomas Barth und Oliver Schwedes

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Fast zeitgleich mit der NRW-Bildungskommission wurde mit dem Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) eine Public Private Partnership von Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und Bertelsmann-Stiftung lanciert und mit jährlich zwei Mio. Euro finanziert, um ein Lieblingskind der Bertelsmann- Bildungspolitik zu propagieren: Studiengebühren. Das CHE ist eine private gemeinnützige GmbH mit dem Ruf eines „heimlichen Bundesbildungsministeriums“, die sich als unabhängige „Denkfabrik“ sieht und vom Dortmunder BWL-Professor Detlef Müller-Böling geleitet wird.10 Kurz nach der Gründung des CHE legte die HRK einen Bericht vor, in dem zum ersten Mal ein System privater Eigenbeteiligung vorgestellt wird, das von allen darauf folgenden Bildungskommissionen aufgegriffen wurde und heute im Bertelsmann-Einflussbereich nahezu einhellig propagiert wird. [11]

Auch die Partizipation nach dem Modell „Ranking und Rating“ kam bei den Studiengebühren nicht zu kurz. Das CHE publizierte eine selbst lancierte Umfrage, wonach angeblich sogar die Studentinnen und Studenten selber gerne für ihre Bildung zahlen würden. Ergebnis und Titel der Studie: „Studierende mehrheitlich für Studiengebühren“. Ihr kleiner Schönheitsfehler: Die Befragung hatte lediglich verschiedene Gebührenmodelle vorgelegt, ohnedie Alternative des freien Studiums zu erwähnen. [12] Wer geglaubt hatte, seine Beteiligung bei der Entwicklung von Modellen sei hier gefragt, war offensichtlich naiv. Man benötigte die Beteiligung der Betroffenen lediglich, um Studiengebühren überhaupt erst einmal durchzusetzen. Wenn diese dann tatsächlich eingeführt sind, ist es sehr fraglich, ob ihre Höhe oder gar eine spätere Abwicklung mit den Studierenden diskutiert werden.

Der Hintergrund der Finanzierungssituation im Hochschulwesen wurde von der HRK ausgeleuchtet. Man unterscheidet den Bereich der institutionellen Förderung (Hochschulbau, personelle und sächliche Ausstattung) von dem der individuellen Förderung (Studienförderung). In beiden Bereichen zeigen sich umfangreiche Finanzierungsdefizite der öffentlichen Hand, welche die HRK vor allem auf den so genannten Öffnungsbeschluss aus dem Jahre 1977 zurückführt. Der seinerzeitige „Studentenberg“ galt als demographische Übergangserscheinung, die man bis 1990 wieder abzutragen hoffte. Während so die Hochschulausgaben weitgehend auf dem Stand von 1977 eingefroren wurden, verdoppelte sich bis Anfang der 90er Jahre die Zahl der Studierenden. Im gleichen Zeitraum fiel jedoch der Anteil der Hochschulausgaben am Bruttosozialprodukt um 22 Prozent. Die zusätzlichen Lasten tragen vor allem die Hochschulen. Dies wirkt sich insbesondere auf den Hochschulbau aus, der seit 1987 als unterfinanziert gilt. Darunter leidet der notwendige Um- und Ausbau des Hochschulsystems ebenso wie die Ausstattung mit wissenschaftlichem Personal und entsprechenden Sachmitteln.

Noch schlechter ist laut HRK-Analyse die Situation der Studierenden. Die Zahl der Bezieher staatlicher Hilfe zur individuellen Studienfinanzierung ist seit Anfang der 90er Jahre von 33 Prozent auf unter 23 Prozent gesunken, während die studentische Erwerbstätigkeit gleichzeitig um etwa 10 Prozent auf knapp 70 Prozent anstieg. Dem mit der BAföG-Finanzierung verfolgten Ziel, das Recht auf Bildung aller zu verwirklichen, wird laut HRK kaum noch entsprochen. Vor diesem Hintergrund soll ein Anreiz- und Steuerungsmechanismus durchgesetzt werden, der mittels Wettbewerb um zusätzliche Finanztitel die Leistung steigert. Den Hochschulen will man dabei Handlungsspielräume eröffnen, während der Staat auf eine Globalsteuerung beschränkt wird. Die Einführung einer belastungs- und erfolgsabhängigen Pauschalfinanzierung soll die beiden Ziele Leistungssteigerung und Hochschulautonomie verbinden.

Durch eine leistungsgebundene Fiskalsteuerung sollen Langzeitstudierende bestraft, Studienfachwechsler zu schnellen Entscheidungen gedrängt und potentielle Studienabbrecher frühzeitig von der Hochschule abgehalten werden. Das studentische Lernverhalten soll sich stärker an einer individuellen Kosten-Nutzen-Rechnung orientieren. Hierbei fällt auf, dass die HRK, anders als die Bildungskommission NRW, allein das Verhalten der Lernenden im Blick hat, dabei jedoch ebenso von einem grundsätzlichen Finanzierungsvorbehalt der öffentlichen Hand ausgeht. Wegen der leeren Staatskassenbrauche man private Hochschulfinanzierung, etwa über Stiftungen, Hochschulsponsoring und Mäzenatentum. Außerdem sollte es den Hochschulen stärker als bisher möglich sein, durch den Verkauf ihrer Dienstleistungen zusätzliche Mittel einzuwerben. Schließlich sollten sich die Hochschulen dem Kapitalmarkt insgesamt öffnen und privaten Anlegern etwa im Bereich des Hochschulbaus Anlagemöglichkeiten bieten.

Ein eigentümlicher Widerspruch ergibt sich bei der Frage nach Beteiligung der Studierenden an den Kosten des Studiums. Aufgrund eigener Analyse der prekären Lage der Studierenden lehnte die HRK eine individuelle Erhebung von Studiengebühren zunächst ab. Dennoch propagierte sie später ein Modell der individuellen Studienförderung, das von einem elternunabhängigen Sockelbetrag ausgeht, der durch ein Bildungssparmodell analog zum steuerlich begünstigten Bausparmodell ergänzt werden soll. Demnach sollen Eltern in Zukunft frühzeitig Bildungskonten für ihre Kinder anlegen, mit denen diese später einen Teil ihres Hochschulstudiums finanzieren können. Ein derartiges Gebührenbeitragsmodell hatte die HRK zuvor im Sinne einer sozial gerechten Bildungsbeteiligung abgelehnt. Das völlig unvermittelte Nebeneinander dieser zwei sich gegenseitig ausschließenden Positionen ist Ausdruck der damaligen politischen Machtverhältnisse innerhalb der Professorenschaft. Während seinerzeit noch die Fraktion der Gegner von Studiengebühren dominierte, hat sich das Kräfteverhältnis im Verlauf der Zusammenarbeit in Bertelsmanns CHE verschoben: Im Juni 2004 befürwortete die HRK schließlich erstmals öffentlich die Einführung von Studiengebühren. [13]

weiterlesen: „Initiativkreis Bildung“

Erschienen in Blätter für deutsche und internationale Politik (www.blaetter.de)

Literatur:

[11] Hochschulrektorenkonferenz, Zur Finanzierung der Hochschulen, Bonn 1996.

[12] So der pensionierte Staatssekretär des NRW-Wissenschaftsministeriums Wolfgang Lieb, der von bewusster „Irreführung der Öffentlichkeit unter wissenschaftlichem Deckmantel“ spricht; vgl. ders., Argumente wider die Gebührenapologeten, in: „Blätter“ 5/2004, S. 567-577, hier S.577.

[13] „Frankfurter Rundschau“, 11.6.2004.

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„Haus des Lernens“

von Thomas Barth und Oliver Schwedes

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Die umtriebigen bildungspolitischen Aktivitäten der Bertelsmann-Stiftung
nahmen von hier ihren Ausgang. Die Bildungskommission NRW übte maßgeblichen Einfluss auf später gegründete bildungspolitische Think-Tanks aus. Zugleich machte sie aber auch deutlich, wie sehr sich der bildungspolitische Diskurs verschoben hat. Während in ihrem ersten Bericht noch durchaus emanzipatorische Bildungsreformkonzepte vorgestellt wurden, reduzierte sich das Programm später auf die Debatte der Bildungsfinanzierung.

Die NRW-Kommission konzentrierte sich auf das Schulsystem. Die Notwendigkeit struktureller Veränderungen begründete man mit grundlegenden Transformationsprozessen in den Industriegesellschaften. Zu den relevanten Transformationen zählt der Kommissionsbericht neue Technologien und Medien, die Pluralisierung der Lebensformen und sozialen Beziehungen, Bevölkerungsentwicklung, Migration und Internationalisierung sowie den damit einhergehenden Wertewandel. Diese tiefgreifenden Veränderungen könnten nicht mehr durch bloße Anpassungen des bestehenden Bildungssystems verarbeitet werden, deshalb müsse es dort zu einer grundlegenden Neuorientierung kommen.

Als Leitbild entwickelte die NRW-Kommission das „Haus des Lernens“, um die bisher geschlossene Bildungsanstalt durch offene Bildungsorganisation zu ersetzen. Kooperatives Lernen in sozialen Erfahrungsräumen sollte zu lebenslangem Lernen befähigen, zentralistisch organisierte staatliche Regelungsmechanismen sollten durch demokratische Partizipationsmöglichkeiten ergänzt werden. Der Einzelschule müsse dafür ein rechtlich gesicherter Handlungsspielraum gewährt werden, innerhalb dessen sich alle Beteiligten freier bewegen können. Zwecks Steigerung der Eigenverantwortung der Einzelschule befürwortet der Kommissionsbericht die Umstellung auf ein Pauschalfinanzierungskonzept. Im Rahmen eines Pauschalbudgets soll es erlaubt sein, schulspezifische Akzente der Finanzierung und Bewirtschaftung zu setzen. Dieses erste Modell erteilte der Marktsteuerung finanzieller Ressourcen im Bildungssystem noch kein grünes Licht. Gleichwohl wurde der Ist-Zustand der öffentlichen Bildungsausgaben auf eine Weise beschrieben, die zukünftig effizientere Organisationsformen der Bewirtschaftung verlangt.

Die Akteure vor Ort sollen eine Binnenoptimierung des finanziellen Mitteleinsatzes (Sach- oder Personalmittel) nach Bedarf vornehmen. Darüber hinaus soll ein Wettbewerb der Schulen um zusätzliche öffentliche Gelder eines regionalen Entwicklungsfonds angeregt werden. Die Erschließung auch privater Mittel durch Sponsoring oder den Verkauf eigener Leistungen auf dem Bildungsmarkt wird ausdrücklich empfohlen. Durch ein Controlling- und Berichtswesen wollte die Kommission Finanzierungs- und Kostenbewusstsein etablieren, um das derzeitige kameralistische System durch ein System der Kosten-Leistungsrechnung zu ersetzen.

Auf diese Weise bedeutete die unter der Ägide der Bertelsmann-Stiftung entwickelte Schulpolitik die Invasion der Kennziffern im Schulalltag. Über 900 verschiedene Kennwerte wurden inzwischen gezählt, die in Projekten wie „Schule & Co“ (NRW) erprobt wurden. [08] Dies kann als regionale Variante der ebenfalls von Bertelsmann geförderten Lissabon-Strategie der EU gelten, die Ranking- und Best-Practice-Verfahren aus der Industrie in der Bildung implementieren will, ungeachtet der Frage, ob Bildungsprozesse sich ebenso wie Stückgutkosten messen lassen, und ganz abgesehen davon, ob dies, falls möglich, uüberhaupt erstrebenswert ist.

Demokratische Entscheidungsfindung und offene Diskussion werden in diesem Bildungsmodell durch Steuerungsverfahren aus der neueren Betriebswirtschaftslehre ersetzt. Überzuckert mit dynamischen Marketing Anglizismen, verbergen sich hinter angeblicher Partizipation Ideen aus dem Betriebswirtschafts-Fach Controlling. Früher sprach man prosaischer von Rechnungswesen/Interne Revision, meinte aber dasselbe: die innerbetriebliche Steuerung und Kontrolle von Produktionsprozessen. Diese erfolgt mittels Nutzwertanalyse, Erfolgsrechnung, Budgetierung, Profit Center und Kennzahlen für alles und jeden.

Die Übertragung der Weisheiten der Betriebswirtschaftslehre auf alle gesellschaftlichen Bereiche ist zentraler Missionsauftrag der Bertelsmann-Stiftung, das Maß aller Dinge sind Effizienz und Kosten. Keineswegs zufällig diskutiert man weniger über Bildung als über Bildungsfinanzierung.

Wo unmittelbare finanzielle Bewertung scheitert, werden zuweilen sogar die Betroffenen selbst gefragt: Umfragen, Rankings und Ratings sollen den
Segen des Wettbewerbs in Bildung und Wissenschaft bringen. [09]

Das klingt auf den ersten Blick nicht schlecht, schließlich werden wir alle
gern nach unserer Meinung gefragt. Doch ist diese Beteiligung nicht unbedingt ein Zeichen für demokratische Partizipation, denn den Rahmen der Teilnahme legen Technokraten in einem vorzugsweise von Bertelsmann gesponserten Hinterzimmer fest. Und der Rahmen bestimmt, was wir bewerten dürfen, worüber wir befragt werden und welche Alternativen uns bleiben. Die Publikation der Ergebnisse, so diese genehm ausfallen, übernehmen ebenjene Technokraten, gern auch in Massenmedien des Bertelsmann-Konzerns. Mit Hilfe der Umfragen, Rankings und Ratings werden anschließend Politiker, demokratische Institutionen und im Zweifelsfall auch die eben noch Befragten selbst unter Druck gesetzt, meist im Sinne der Ideen aus dem Hause Bertelsmann: Effizienz, Wettbewerb, Kommerz.

weiterlesen: Ranking und Rating: Lieblingskind Studiengebühren

Erschienen in Blätter für deutsche und internationale Politik (www.blaetter.de)

Literatur:

[08] Vgl. Horst Bethge, Bertelsmann macht Schulpolitik, Vortrag auf dem Kongress „Bertelsmann: Ein globales Medienimperium macht Hochschulpolitik“, Freie Hamburger Hochschule, 15.-17.7.2005.

[09] Vgl. Thomas Barth, Durchsetzung von Controlling und Ranking auf allen Ebenen, http://www.telepolis.de, 19.7.2005.

 

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Die neoliberale Invasion im Bildungswesen

von Thomas Barth und Oliver Schwedes

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Die Invasion des Neoliberalismus im Bereich der Bildung begann Anfang der 90er Jahre. Mit dem Waterloo des „real existierenden Sozialismus“ schlichen sich auch in der Bildungspolitik verstärkt neoliberale Tendenzen ein. Ihre Einspeisung erfolgte über ein traditionelles Mittel gesellschaftlicher Einflussnahme, das Stiftungswesen. Insbesondere die Bertelsmann-Stiftung diente als Stichwortgeber für eine breit angelegte Kampagne zur Kommerzialisierung der Bildung.

Stiftungen sind Ausdruck von Engagement für das Gemeinwesen, aber auch mögliches Instrument der politischen Einflussnahme. [02] Damit man uns nicht missversteht: Wenn wohlhabende Menschen einen Teil ihres Reichtums für gemeinnützige Zwecke stiften, ist das prinzipiell eine wunderbare Sache. Wenn sie dabei die Interessen ihrer sozialen Schicht, zuweilen vielleicht sogar ihre Privatinteressen, mit dem Gemeinwohl verwechseln, dann ist das menschlich verständlich. Wenn dies jedoch strategisch auf breiter Front mit beträchtlichen Finanzmitteln und im globalen Maßstab geschieht, ist mehr kritische Aufmerksamkeit geboten als insbesondere der Bertelsmann-Stiftung bislang zuteil wird.

Die Bertelsmann-Stiftung ist die Unternehmensstiftung des Bertelsmann-
Konzerns, des größten Medien-Multis Europas und des fünftgrößten weltweit. Im Zuge der globalen Konzentrationsprozesse der 80er und 90er Jahre konnte er sich weltweit gut behaupten. [03] Neben vielen kleineren Buchverlagen gehört ihm im Printbereich der Weltmarktführer Randomhouse, der Bertelsmann-Buchclub mit weltweit 25 Millionen Mitgliedern sowie Gruner + Jahr, der größte Zeitschriftenverlag Europas mit 120 Blättern. Im Bereich Entertainment gehören dem Unternehmen rund 200 Musik-Labels, dazu kommen [18] Radio- und 22 Fernseh-Sender, darunter die RTL-Gruppe. Den Aufführungsrechtehandel kontrolliert Bertelsmann global in 140 Ländern. Abgerundet wird das Medienimperium durch Immobilienhandel, die Bertelsmann International Finance Limited sowie ein Finanzinstitut im Steuerparadies Curaçao (Antillen). Der letzte große Coup war im Juli 2004 die Fusion der Bertelsmann Music Group mit Sony Music zum nun zweitgrößten Musik-Konzern weltweit. Von 1980 bis heute hat sich die Zahl der Bertelsmann-Mitarbeiter von 45000 auf 82000 nahezu verdoppelt, der Gesamtumsatz von 6,5 auf über 20 Mrd. Euro verdreifacht (davon 70 Prozent im Ausland). [04]

1977 wurde vom heutigen Unternehmenspatriarchen Reinhard Mohn die Bertelsmann-Stiftung gegründet. Ihr wurden 1993 ca. 70 Prozent des Konzern-Gesamtkapitals übertragen. Neben dem Streben nach gesellschaftlicher Einflussnahme dürfte ein Motiv darin bestehen, dass auf diese Weise erzielte Steuerersparnisse die Stiftungsausgaben deutlich übersteigen. Schon vor die-sem Hintergrund kann es überraschen, wenn die Stiftung sich selbst als „unabhängig“ bezeichnet. [05]

Bei der Bertelsmann-Stiftung handelt es sich mittlerweile um die größte operative Unternehmensstiftung in Deutschland. [06] Sie verfügt über einen Jahresetat von 65 Mio. Euro sowie über 300 Mitarbeiter, die mehr als 100 Projekte betreuen. Dabei orientiert sich die Stiftung explizit an den US-amerikanischen Think-Tanks. Ihre Tätigkeitsfelder erstrecken sich auf Wirtschaft, Medien, Kultur, Politik und Bildung.

Im Bildungs- und Kulturbereich zielt die Strategie Bertelsmanns auf eine weiträumige Kommerzialisierung von Wissenschaft und Bildung – nicht zuletzt deshalb, weil der Medienkonzern sich hier neue Märkte erschließen könnte. An den Hochschulen ist dabei insbesondere die Einführung von Studiengebühren von Bedeutung, weil nur Gebühren diesen Bereich für private Investoren lukrativ machen können. Doch auch die einfache Schulbildung liegt im Blickfeld des Konzerns und seiner Stiftung. Gemäß dem strategisch angewendeten Public-Private-Partnership-Modell sollen sich dabei privat finanzierte Institutionen durch Kooperation mit öffentlichen Gremien Renommee und Einfluss sichern. Den Anfang machte 1992 die Bildungskommission NRW, die ihren Bericht 1995 präsentierte. [07] Das Gremium bestand aus Politikern, Hochschullehrern sowie Gewerkschafts- und Arbeitgebervertretern. An prominenter Stelle war der Patriarch des Familienunternehmens Bertelsmann und Leiter der gleichnamigen Stiftung, Reinhard Mohn, beteiligt.

weiterlesen: „Haus des Lernens“

Erschienen in Blätter für deutsche und internationale Politik (www.blaetter.de)

Literatur:

[02] Vgl. Jürgen Kocka, Die Rolle der Stiftungen in der Bürgergesellschaft der Zukunft, in: „Aus Politik und Zeitgeschichte“, 14/2004, S. 3 f.

[03] Vgl. Insa Sjurts, Strategien in der Medienbranche, Wiesbaden 2003; Christiane Leidinger, Medien, Herrschaft, Globalisierung, Münster 2003.

[04] Vgl. Rüdiger Liedtke, Wem gehört die Republik? Die Konzerne und ihre Verflechtungen, Frankfurt a. M. 2004.

[05] Bertelsmann-Stiftung (Hg.), Operative Stiftungsarbeit. Strategien – Instrumente – Perspektiven, Gütersloh 1997, S. 18.

[06] Von der operativen Stiftung ist die Förderstiftung zu unterscheiden, die andere Personen bzw. deren Projekte finanziell unterstützt, ohne selbst direkt Einfluss auszuüben. Vgl. Helmut Anheier, Das Stiftungswesen
in Deutschland, in: Die Bertelsmann-Stiftung (Hg.), Handbuch Stiftungen, Wiesbaden 2003.

[07] Bildungskommission des Landes NRW, Zukunft der Bildung – Schule der Zukunft, Neuwied 1995.

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