ansTageslicht.de

Blog: Dokumentationszentrum Couragierte Recherchen und Reportagen

ansTageslicht.de: Wächterpreis der Tagespresse 2011

Die Jury der Stiftung „Freiheit der Presse“ hat die „Wächterpreise der Tagespresse“ für dieses Jahr vergeben. Das DokZentrum ansTageslicht.de wird bis zur Preisverleihung am 18. Mai diese ‚ausgezeichneten‘ Geschichten dokumentieren: a) Die Berichte, b) wie sie entstanden sind und c) wie die Recherchen liefen. Folgenden Themen wurden die renommierten Preise zuerkannt:

Der erste Preis (12.000 Euro) geht an ein Redaktionsteam der Berliner Morgenpost. Die Journalisten hatten am 28. Januar 2010 als erste und auch am ausführlichsten über die Missbrauchsfälle am bekannten Canisius-Kolleg in Berlin berichtet. Das Team, bestehend aus Jens Anker, Michael Behrendt, Joachim Fahrun, Uta Kehseling, Anne Klesse, und Daniel Müller, recherchierte das Thema in umfassender Weise und löste damit eine Welle weiterer Enthüllungen über vergleichbare Fälle in kirchlichen und außerkirchlichen Einrichtungen (z.B. Odenwald-Schule in Hessen) aus. Die Journalisten schärften damit das gesellschaftliche Bewusstsein dafür, solche Vorgänge unter keinen Umständen hinzunehmen.

Den zweiten Preis (8.000 Euro) erhalten Andreas Damm und Detlef Schmalenberg vom Kölner Stadt-Anzeiger für ihre umfangreiche Aufarbeitung des Einsturzes des Kölner Stadtarchivs beim U-Bahn-Bau. Sie legten eine Fülle von bis dahin unbekannten Einzelheiten dar, aus denen sich gravierende Fehlleistungen der Verantwortlichen, zum Teil mit kriminellem Einschlag, ergaben.

Der dritte Preis (6.000 Euro) geht an den Redakteur der Frankfurter Rundschau, Matthias Thieme. Er recherchierte und veröffentlichte in einer nachhaltigen Serie von Artikeln die Reglementierung vier hessischer Steuerfahnder, die – teilweise zwangspsychatrisiert – aus dem Amt verdrängt wurden. Die Zeitung legte dabei Verflechtungen und seltsame Abhängigkeiten innerhalb der Hessischen Finanzverwaltung offen. Die Berichterstattung löste eine öffentliche Debatte aus und einen (zweiten) parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der bis heute nicht wirklich arbeiten kann – er wird mittels der politischen Mehrheitsverhältnisse in Hessen blockiert.
Diese Geschichte, die im Jahr 1996 mit einer Großrazzia bei der Commerzbank in Frankburt/Main begann, ist im DokZentrum ansTageslicht.de bereits seit 2009 ausführlich dokumentiert unter www.ansTageslicht.de/Steuerfahnder.

Mit dem Wächterpreis für Volontäre (4.000 Euro) wurde Christina Hucklenbroich, Frankfurter Allgemeine Zeitung, ausgezeichnet. Sie berichtete anschaulich über die schwierige berufliche Situation junger Tierärzte und ermöglichte damit weitgehend unbekannte Einblicke in einen Beruf, der sich dramatisch gewandelt hat.

Die 60 Einsendungen (Bewerbungen) belegen erneut, dass Recherche und nachhaltige Berichterstattung auch in deutschen Tageszeitungen nach wie vor zum gängigen Repertoire journalistischer Berichterstattung gehören. Dies lässt sich auch aus den früheren preisgekrönten Themen entnehmen. Die letzten 25 Geschichten sind vollständig und mit Hintergrundinformationen zur ihrer Entstehung dokumentiert unter www.ansTageslicht.de/Waechterpreisarchiv bzw. unter www.waechterpreis.de.

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Das System Poggendorf: Medien und Menschen verändern die Welt

Das System Poggendorf: Selbstbedienung und Veruntreuung im Hamburger Tierschutzverein

– so lautet das Motto des „DokZentrums ansTageslicht.de“. Dies bestätigt auch eine Recherchegeschichte des „Hamburger Abendblatts“, die „ansTageslicht.de“ jetzt vollständig rekonstruiert und gerade online dokumentiert hat:

– mit einer ausführlichen Chronologie aller Ereignisse
– einem Interview mit dem Journalisten Ulrich Gaßdorf, der vergangenes Jahr für den Henri-Nannen-Preis (investigativ) nominiert worden war
– sowie mehreren bis dahin noch nicht veröffentlichten Dokumenten.
– Außerdem kommt ein anonymer Informant zu Wort.

Die Geschichte ist klassisch und schnell erzählt: Da Mitglieder eines Tierschutzvereins sich um das Wohl der Tiere sorgen und sich nicht für Vereinsmeierei interessieren, sind dies günstige Voraussetzungen für machthungrige und rücksichtslose Menschen. Einem angestellten Betriebsleiter gelang so in kurzer Zeit der Sprung nach ganz oben: als Geschäftsführer und gleichzeitig Vorstandschef des Hamburger Tierschutzvereins. Unbequeme Kritiker wurden ausgebootet. Es begann die Zeit des „Systems Poggendorf“: Bereicherung und Veruntreuung. Sowie die Ära der Arroganz.
Letztere wurde dem allmächtigen Chef zum Verhängnis. Vor den Kopf gestoßen machte sich eine Leserin Gedanken, gab der Zeitung einen Tipp, woraufhin der Journalist zu recherchieren begann. Es folgte eine erste Veröffentlichung, Durchsuchungen der Kripo, Anklage und Verurteilung. Und ein Neuanfang beim Hamburger Tierschutzverein. Alles nachzuschlagen unter www.ansTageslicht.de/Poggendorf – Medien und Menschen verändern die Welt…

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Anna POLITKOVSKAJA 2005: Das Ausland / der Westen wird uns zuwinken

Straßburg schafft es nicht, die aus Russland kommenden Klagen abzuarbeiten. Jetzt folgt eine weitere – aus der Siedlung Novye Aldy. Die Opfer des Massakers, die verzweifelt eine Untersuchung dieser Tragödie in Russland versuchen zu realisieren

Nach Aussage des vorübergehend stellvertretenden Militärstaatsanwalts vom nordkaukasischen Militär-Bezirk, des Oberst der Justiz S. DOLZHENKO: „die Operation einer s. g. ‚Säuberung‘ in der neuen Siedlung Aldy am 5. Februar 2000… führten die Mitarbeiter der OMON (Spezialeinheit, russ. Отряд Милиции Особого Назначения / Otrjad Milizii Osobowo Nasnatschenija – „Einheit der Miliz besonderer Bestimmung“) der Hauptabteilung für Innere Angelegenheiten der Stadt St. Petersburg und des Rjasaner Bezirks durch“. Nach Aussagen der Augenzeugen waren Soldaten des 245-ten Regiments des Verteidigungsministeriums ebenfalls daran beteiligt.

Das Massaker von Novye Aldy – die schrecklichste Seite des zweiten Tschetschenien-Krieges

Am 5. Februar geschah in Novye Aldy ein Massenmord. Von hauptsächlich alten Menschen, die geblieben waren um ihre Häuser zu bewachen. Die Mehrheit von ihnen dachte, dass sie nichts zu befürchten haben. Dennoch haben die Soldaten des Verteidigungsministeriums und des Innenministeriums eine Schlacht in der Siedlung veranstaltet. Nach den einen Angaben, sind dabei 55 Menschen gestorben – nach den anderen 42. Und das in wenigen Stunden.

Die Menschen in Tschetschenien nennen die NA-Tragödie manchmal „Eine Hinrichtung im Namen der ersten PUTIN-Wahlen“. Es geschah zu Zeiten seiner ersten Wahlkompanie, als überall die Karte der „Anti-Terror-Operation“ ohne Angst und Tadel ausgespielt wurde, und die Staatsanwaltschaft alles dafür tat, damit es „keine Horror/Entsetzlichkeiten gibt“, das heißt: nicht ermitteln, vertuschen, Beweise vernichten. Einen besonderen Beitrag zur Ausführung des politischen Auftrags – zur Nicht-Aufdeckung dieses Strafverfahrens – hat Herr TSCHERNOV beigetragen, der viele Jahre als Staatsanwalt von Tschetschenien arbeitetete.

Die Familien der Hingerichteten wollen dennoch wissen, wer konkret schuldig ist. Mit den Jahren erlischt dieser Wunsch auch nicht. Im Februar sind bereits fünf Jahre seit der Tragödie vergangen. Zum vierjährigen Jubiläum hat unsere Zeitung im Detail berichtet, was damals passiert ist. Darauf haben die Bevollmächtigten für Menschenrechte und Ella PONFILOVA, die zu dem Präsidenten gehört, reagiert. Im Ergebnis kamen in die Siedlung viele Menschen von der Staatsanwaltschaft (SA), unterschiedlicher Ebenen (SA von Tschetschenien, SA des südlichen föderalen Bezirks, General-SA) und sie haben scheinbar erneut die Untersuchungen aufgegriffen. Die Bewohner von Novye Aldy – Familienangehörige der Verstorbenen und wie durch ein Wunder überlebende Zeugen – waren begeistert darüber und bekamen wieder Hoffnung. Dass es endlich mit dem Fall vorwärts geht. Dass man die Schuldigen auf Grund der vielen Indizien und Beweise findet, die die Menschen immer noch aufbewahren, in der Hoffnung, dass irgendjemand daran Interesse zeigt. Dass die Familienangehörigen der Hingerichteten als Opfer anerkannt werden und das man es schafft, den Fall bis vor das Gericht zu bringen.

Aber auch dieses Mal hat sich der Simpf unserer Strafverfolgung schnell wieder zugezogen. Im Endeffekt beschlossen die sehr geduldigen Aldyner (NA-Einwohner) alle Unterlagen zu sammeln und diese nach Straßburg zu schicken. Es gab schon mal so einen Versuch – vor etwa drei-vier Jahren. Die Mitarbeiter der Menschenrechtsorganisation „Memorial“ sammelten von den Familienangehörigen der Verstorbenen Vollmachten um das Recht zu besitzen, die Fälle vor das Europäische Gericht zu bringen.

Aus unerklärlichen Gründen sind jedoch nur zwei dieser Fälle bis Straßburg gekommen: „MAGOMADOV gegen Russische Föderation“ (Nr. 58699/00) und „LABOZANOBA gegen Russische Föderation“ (Nr. 60403/00). Sie haben schon die Kommunikation in Straßburg abgeschlossen (das heißt, sie wurden angenommen). Im Endeffekt haben die NA-Einwohner den Prozess der Unterlagenübermittlung in ihre eigene Hände genommen, indem sie zwei von sich als Vertreter nach Moskau schickten. Die Anwältin Lejla HAMZAEVA hat ihnen bei der Erstellung der Papiere geholfen und am 1. April ist die Portion – bestehend aus 31 Fällen, deren Inhalt derselbe ist, lediglich die Namen und die Hausnummer, wo die Morde stattfanden, unterscheiden sich – nach Europa gegangen.

Wie wird es weitergehen für die leidgeprüften Aldyner? Was wird Straßburg antworten? Und was kann Straßburg überhaupt im Kampf mit dem Kreml tun? Das ist keine leere Frage, sonder eine konkrete. Ja, Straßburg ähnelt heutzutage zunehmend mehr der SA der Russischen Föderation. Sie SA wird mit Post aus Russland zugeschüttet. Es fehlt an Personal, um mit diesen Mengen fertig zu werden. Das weiß jeder, der sich dafür interessiert.

Es gibt zwei Resultate. Das Erste: Europa ist nicht in der Lage das rechtslose Russland zu verdauen. Es hat nicht die nötigen Ressourcen. Im Ergebnis stellt Straßburg eine Schallplatte für Läufer dar, die auf sehr langer Distanz laufen und bis zum Ende überleben. Denn wenn nach fünf Jahren von dort eine Forderung die Russische Föderation erreicht, eine unvoreingenommene Untersuchung durchzuführen und den Familien der Hingerichteten eine Kompensation für zehn Jahre des Wartens auszuzahlen, wäre das sehr gut. Sehr gut. Aber dann werden wir auch eine andere Regierung haben. Und einen anderen Präsidenten, der sich für seinen Vorgänger nicht verantworten muss. Und die Spur der föderalen Mörder wird wahrscheinlich aufgrund der langen Zeitdauer endgültig kalt sein. Und unter den Opfern wird es natürlich Verluste geben.

Es ist kein Pessimismus, kein Versuch jemandem davon abzuraten seinen Fall an Straßburg zu überreichen – auf keinen Fall, man es dorthin reichen. Jedoch sieht so die Realität aus.

Es gibt ein zweites Resultat der Straßburger Prozeduren. Als man uns den Weg dorthin freigab, dachten viele: die schreckliche Situation, in der sich die Menschenrechte in unserem Land befinden, wird sich von selbst zum Besten regeln. Die Obrigkeit Angst würde vor dem auf sie stürzenden Rückfluss an Gerichtsurteilen aus Europa und den Geldern bekommen, die sie an die Bürger zahlen müsste, die der der Staat nicht zu beschützen in der Lage ist.

Aber das Geld ist ja nicht ihres, sondern unseres – aus dem Budget. Die Obrigkeit zahlt. Die Summen sind mittlerweile riesengroß, aber die Obrigkeit erzieht sich noch immer nicht um. Da spuckt sie drauf – das Geld ist nicht ihres. Kein persönlicher Geldbeutel von irgendeinem Staatsanwalt oder Ermittlungsbeamten ist für ihre schlampige Arbeit, die die Menschen dazu gezwungen hat sich an Straßburg zu wenden, zu Schaden gekommen. Alles wurde von den Steuergeldern gedeckt.

Wie sich herausstellte, hat der Kreml auch vor einem schlechten Image keine Angst. So hat sich Straßburg vor unseren Augen in ein Kissen der Tränen aller Gedemütigten und Verletzten aus Russland verwandelt, mehr nicht. Die Obrigkeit hingegen guckt desinteressiert von oben herab: ja, heult doch, dann zahlen wir eben… Mehr nicht. Es ist offensichtlich, dass der Kreml auf die erzieherische Maßnahmen Straßburgs nicht einlässt. Im Gegenteil: er steigert seinen Angriff auf unsere Rechte von allen gerichtlichen Richtungen.

Also, was tun? An wen oder was soll der russische Mensch appellieren, wenn nicht an Straßburg?

An sich. An sich selbst. Genug der Hoffnungen, die man in Europa setzt. Solange wir selbst nichts an der Situation unseres Strafverfolgungssystems ändern, wird sich keiner für uns einsetzen. Die Straßburger Praxis hat es bereits bewiesen. Sie sind gut, jedoch ist es nicht ihr Problem. Es ist an der Zeit die eigenen hohen menschlichen Qualitäten zu demonstrieren.

Anna POLITKOVSKAJA in der Novaja Gaseta am 07.04.2005

Den Originalartikel finden Sie dort unter ЗАГРАНИЦА НАМ ПОМАШЕТ

Übersetzung: Andreas ENGELHARDT

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Committee to Protect Journalists über Russland

Das US-amerikanische „Committee to Protect Journalists“ (www.cpj.org) veröffentlicht jährlich Länder- bzw. Regionsberichte und führt eine weltweite Statistik über Journalisten im Gefängnis bzw. solche, die im Zusammenhang mit ihrer Arbeit ermordet wurden:

Neben Ländern wie Algerin, den Philippinen, Indien, der Türkei – und natürlich kriegsbedingt im Irak – gehört auch Russland zu den weltweit gefährlichsten Ländern für Journalisten. Die aktive Karte gibt detailliert Auskunft – weltweit.

Bezogen auf Osteuropa sieht die Anzahl der seit 1992 ermordeteten Journalisten so aus:

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Tschetschenien – der vergessene Krieg

Tschetschenien liegt weit weg – in Kilometern gerechnet und in Einheiten öffentlicher Wahrnehmung. Obwohl in einigen Zeitungen ab und an Meldungen aus dem fernen Land auftauchen.

Im April 2007 gab es wieder meldenswerte Neuigkeiten: Ramsan KADYROV (KADYROW), Amateurboxer und Anführer der so genannten Kadyrowzy, einer schwerbewaffneten privaten Söldnertruppe, und Sohn des 2004 bei einer Bombenexplosion umgekommenen Präsidenten von Tschetschenien Achmad KADYROV, wurde nun selbst Präsident – er war Wladimir PUTIN’s (einziger) Kandidat, und so war es dann auch gekommen. Bis dahin hatte er sich um den „Aufbau“ des Landes verdient gemacht und bekam von Russlands Präsident PUTIN den Orden „Held Russlands“ verliehen – eine hohe Auszeichnung.

KADYROV’s verdienstvoller Job: mit seinen Tausenden von Privatsöldnern Aufständische, d.h. „Terroristen“ zu eliminieren. Als Terrorist gilt, nachdem das Land wieder unter russischer Oberhoheit steht, sprich offiziell unwidersprochen Bestandteil der „Russischen Föderation“ ist, jeder, der ernsthaft von der Unabhängigkeit Tschetscheniens zu träumen wagt.

Offiziell gibt es in Tschetschenien nicht mehr Krieg – auch die beiden Tschetschenienkriege 1994-1995 und 1999-2000 sind offiziell immer für „beendet“ deklariert worden. Tatsächlich aber sind Übergriffe, Entführungen, Mord und Vergewaltigungen, Terror und Einschüchterungen an der Tagesordnung. Dies berichten immer wieder (sehr wenige) Informanten, Menschenrechtsorganisationen und andere parlamentarische Untersuchungskommissionen, sofern sie in das Land hineingelassen werden.

Medien, d.h. Pressevertreter dürfen und können nur mit offizieller Anmeldung und Genehmigung nach Tschetschenien. Alles wird überwacht und streng kontrolliert: der Flughafen, die wenigen Eisenbahnlinien, alle Strassen. Staatliche „Führer“ folgen Medien auf Schritt und Tritt – eine unabhängige Berichterstattung ist nicht möglich.

Trotzdem gibt es immer wieder Journalisten, die es im Dienste der Öffentlichkeit riskieren. Anna POLITKOVSKAJA war eine von ihnen – rund 50 heimliche Recherchereisen hatte sie unternommen und letztlich dafür mit ihrem Leben bezahlt.

Zwei Moskauer Korrespondenten aus Deutschland, Tomas AVENARIUS für die Süddeutsche Zeitung und Florian HASSEL für die Frankfurter Rundschau, hatten sich 2002 zusammengetan, obwohl sie eigentlich ‚Konkurrenten’ waren. Sie sind ebenfalls heimlich und unerkannt nach Tschetschenien gefahren, um von dort – wenigstens zwischendurch mal – authentisch darüber berichten zu können, was dort vor sich geht.

„Der Vergessene Krieg“ – so haben sie ihre Berichte beschrieben, die in Deutschland parallel in der Süddeutschen Zeitung (SZ) und der Frankfurter Rundschau (FR) zu lesen waren.

Da Tschetschenien auch in unserer Aufmerksamkeit oder Gedächtnis weit weg ist, haben wir – um die Zusammenhänge deutlich zu machen – 2 Chronologien über das Land zusammengestellt: einen kurzen Überblick, in dem nur die allerwichtigsten Informationen ganz knapp enthalten sind, und eine etwas längere Chronologie, die auch ein klein wenig historisch den Ablauf der Ereignisse erklären kann.

Derjenigen, der im Westen das größte Verdienst um Aufklärung gebührt, ist ein ausführliches Portrait gewidmet: Anna POLITKOVSKAJA.

Über die Zeitung, für die sie geschrieben hatte, die Novaja Gazeta in Moskau, wird es künftig Informationen beim Wächterpreis geben. Das kleine, aber unerschrockene Blatt, hat 2007 den Henri-Nannen-Preis für ihr Engagement in Sachen Pressefreiheit zugesprochen bekommen.

Über eine andere Zeitung aus Tschetschenien für Tschetschenien, die sich in den ganzen kriegerischen und politischen Wirren bis heute unabhängig erhalten konnte, werden wir zeitnah ebenso informieren. Die Zeitung publiziert auch in englischer Sprache: Tschetschenskoe bzw. Chechen Society.

Offiziell existieren in Russland demokratische Spielregeln und ebenso amtlich bestätigt herrscht dort Pressefreiheit. Wir stellen einige Informationen zusammen, die dieses Bild ein wenig trüben: Pressefreiheit in Russland.

Dazu gehört – leider – auch eine Liste all der Namen, die im Zusammenhang mit der Berichterstattung aus oder über Tschetschenien ums Leben gekommen sind: Getötete und ermordete Journalisten.

Redaktion Wächterpreis

Dossier TSCHETSCHENIEN 

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Die Ruhrgas-Affäre

Wer würde nicht gerne mal nach Norwegen fliegen, mit Begleitperson, und das, ohne etwas für die Reise zu bezahlen?

In diesen Genuss konnte man in der Vergangenheit leicht kommen, wenn man beispielsweise als Lokalpolitiker gleichzeitig in einem Aufsichtsrat der kommunalen Stadtwerke saß. Auch Gesellschafter und Prokuristen der Stadtwerke sowie Journalisten der Kommunen flogen gerne mal mit – zu dem einen oder anderen Ausflugsziel. Eingeladen wurden sie durch die Konzerne E.ON und die RWE-Tochter Thyssengas, die auf diese Weise eine besondere Art der „Klimapflege“ betrieben und mit noblen Reisen, Museumsbesuchen und exquisiten Essen ihre Abnehmer bei Laune hielten.

Die angebotenen Reiseziele konnten sich sehen lassen, es ging unter anderem nach Athen, Florenz, Paris, Barcelona, Moskau, Istanbul, St. Petersburg, Lissabon, ins näher gelegene Elsass oder zur Cezanne-Ausstellung nach Essen, um nur einige der Ausflugsziele zu nennen.

Erst ein Artikel im April 2005 von Ekkehard Rüger in der Westdeutschen Zeitung/ Redaktion Bergischer Volksbote und eine darauf folgende anonyme Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Köln brachte eine Lawine ins Rollen. Es ging um die Frage, ob das Vorteilsnahme, Bestechung oder gar Korruption sein könnte, wenn beispielsweise „Amtsträger“ im Zuge ihrer Amts- und Dienstgeschäfte sich von jenen einladen lassen, die geschäftlich über die Entscheidungsgewalt der Amtsträger gerne zum Zuge kommen würden – z.B. indem sie Strom oder Gas verkaufen.

Die Kosten der teilweise auch als „Informationsreisen“ deklarierten Fahrten beliefen sich auf bis zu 120.000 Euro und wurden von den Energielieferanten und teilweise von den Stadtwerken finanziert. In der Chronologie sind die in der Öffentlichkeit bekannt gewordenen Reisen gelistet. Auch das als kleine Antwort auf die Frage, weshalb die Energiepreise in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen sind. Warum 2 Bürgermeister(innen) nicht gefahren sind, lesen hier.

Die Zeitungsartikel, die alles ins Rollen gebracht haben, finden Sie unter Die Berichte. Wie der Redakteur Ekkehard Rüger auf diese Geschichte kam, hat er unter So begann die Geschichte beschrieben. Was Sie über Korruption wissen sollten (und bisher nie zu fragen wagten), steht unter Korruption – (kleine) Geschichte der Bestechung.

(tz)

INHALTSVERZEICHNIS ENERGIE

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Wächterpreis der Tagespresse

Der Wächterpreis der Tagespresse zeichnet couragierte Reporter aus, die in Wahrnehmung von staatsbürgerlichen Rechten, den Kampf um eine saubere Verwaltung aufnehmen, Übergriffe der Bürokratie oder anderer Machtgruppen recherchieren und darüber berichten und dabei ohne Rücksicht auf Namen und bestehende Verhältnisse Missstände schonungslos aufdecken.

Dies ist das Ziel des Wächterpreis der Tagespresse. So hat es die Stiftung, die die Preise vergibt, formuliert.

Missstände und Probleme gibt es überall. Oft weiten sie sich zu Affären und handfesten Skandalen aus. Und manchmal werden Lehren daraus gezogen, Missstände abgestellt, Gesetze verändert oder sonstige Konsequenzen gezogen.

Die Medien haben – neben ihrem Job der Nachrichtenvermittlung – auch die Aufgabe, den Finger in solche Wunden zu legen. Man nennt dies öffentliche Aufgabe der Medien. Oder auch Watch-Dog (Wachhund)-Funktion.

Die Website will diese für eine funktionierende Demokratie wichtige Aufgabenteilung bekannter und transparenter machen. Sie richtet sich an alle, die Zeitungen und Zeitschriften lesen oder das Zeitgeschehen im Fernsehen verfolgen. Sie ist aber auch für die Medien selbst gedacht sowie für die Forschung und die Wissenschaft, die untersuchen, wie die Medien und die öffentliche Kommunikation funktionieren.

Deshalb werden ab 2004 die mit dem Wächterpreis ausgezeichneten Geschichten und Berichte vollständig dokumentiert und mit weiteren Informationen präsentiert.

Sie können daher auf der Website des DokZentrum anstageslicht.de erfahren, wie die durch den Wächterpreis der Tagespresse ausgezeichneten Geschichten letztlich weitergehen, welche Reaktionen sie auslösen und wie sie entstanden sind.

Der „Watch-Dog“ – Preis wird nur für Berichte vergeben, die in Tageszeitungen zu lesen waren bzw. von Tageszeitungsjournalisten aufgedeckt wurden. Viele solcher Themen sind aber oftmals Ergebnis unterschiedlicher Kooperationen oder Arbeitsteilungen auch im Bereich der Medien selbst, beispielsweise wenn eine Zeitung und das Fernsehen mehr oder weniger gleichzeitig eine Geschichte enthüllen. In solchen Fällen wird auch dies dokumentiert, wie solche „Geschichten“ zum öffentlichen „Thema“ werden.

Marc Alexander Holtz

Redaktion DokZentrum

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