ansTageslicht.de

Blog: Dokumentationszentrum Couragierte Recherchen und Reportagen

Keine Atomwaffenzünder für den Iran. Oder: Ein Flughafenzöllner, der entlassen wird – der Fall Stefan R.

Unter diesem Titel wird im »DokZentrum ansTageslicht.de« der Fall des jungen Zollbeamten Stefan R. wieder aufgerollt, der im November 2002 nachts um 3 Uhr auf dem Flughafen Frankfurt/Main spontan reagiert und das Zollkriminalamt und Bundeskriminalamt alarmiert hatte. Ein sofort aktiviertes Sicherheitskommando konnte vier Stunden später die heiße Ware sicherstellen: 44 »Fast High Voltage Transistor Switches« des Typs „HTS 31-480-SI“ – so genannte Dual Use-Güter. Eigentlich für medizinische High-Tech-Zwecke konstruiert, kann man sie auch zu Atomwaffenzündern umfunktionieren. Genau dies sollte im Iran geschehen, dem geplanten Bestimmungsort der 44 Hochfrequenzschalter. So hatten es Ermittlungsbehörden später festgestellt.

Der rechtzeitig verhinderte Export: ein klarer Erfolg für die internationale Weltgemeinschaft. Kein Erfolg allerdings für den Jungzöllner: Er wurde entlassen. Einer der Vorwürfe: Er habe »vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig … dienstliche Kompetenzen durch eigenmächtige Korrespondenz mit dem Bundeskriminalamt, Zollkriminalamt ohne die zuvor erforderliche Einschaltung der Schicht- und Abfertigungsleitung überschritten.«

Satire? Keineswegs, sondern bittere Realität für Stefan R., der nun von Hartz IV lebt.

Dessen Versuche, sich dagegen zu wehren, sind bis heute erfolglos. Nachdem das Bundesverwaltungsgericht entschied, dass jeder einzelne Vorwurf bewiesen werden müsse, will die Zollverwaltung nun mehr als 60 Zeugen, meist ehemalige Kollegen, gegen den unbotmäßigen Ex-Zöllner aufbieten. Je mehr Zeugen, desto länger die Gerichtsverfahren. Und je länger die Prozesse, umso eher kann man auch engagierte (Ex-)Beamte zermürben.

Das »DokZentrum ansTageslicht.de« hat die ganze Geschichte lückenlos rekonstruiert. Und weshalb die etablierte Zollhierarchie keine engagierten (Jung)Beamten mit eigenen Ideen mag. Und warum ein Vorschlag ins Leere gehen musste, den aufrechten Jungzöllner mit einem Verdienstorden auszuzeichnen.

Alles nachzulesen unter
www.ansTageslicht.de/Atomwaffenzuender oder
www.ansTageslicht.de/Flughafenzoellner

Dieser Fall von Missmanagement und Behördenwillkür beim Zoll kommt in Kooperation mit der Frankfurter Rundschau »ans Tageslicht«.

Filed under: Atomkraft, Deutschland, Dokumentation, Frankfurter Rundschau, Journalismus, Medien, Politik

Tschetschenien – der vergessene Krieg

Tschetschenien liegt weit weg – in Kilometern gerechnet und in Einheiten öffentlicher Wahrnehmung. Obwohl in einigen Zeitungen ab und an Meldungen aus dem fernen Land auftauchen.

Im April 2007 gab es wieder meldenswerte Neuigkeiten: Ramsan KADYROV (KADYROW), Amateurboxer und Anführer der so genannten Kadyrowzy, einer schwerbewaffneten privaten Söldnertruppe, und Sohn des 2004 bei einer Bombenexplosion umgekommenen Präsidenten von Tschetschenien Achmad KADYROV, wurde nun selbst Präsident – er war Wladimir PUTIN’s (einziger) Kandidat, und so war es dann auch gekommen. Bis dahin hatte er sich um den „Aufbau“ des Landes verdient gemacht und bekam von Russlands Präsident PUTIN den Orden „Held Russlands“ verliehen – eine hohe Auszeichnung.

KADYROV’s verdienstvoller Job: mit seinen Tausenden von Privatsöldnern Aufständische, d.h. „Terroristen“ zu eliminieren. Als Terrorist gilt, nachdem das Land wieder unter russischer Oberhoheit steht, sprich offiziell unwidersprochen Bestandteil der „Russischen Föderation“ ist, jeder, der ernsthaft von der Unabhängigkeit Tschetscheniens zu träumen wagt.

Offiziell gibt es in Tschetschenien nicht mehr Krieg – auch die beiden Tschetschenienkriege 1994-1995 und 1999-2000 sind offiziell immer für „beendet“ deklariert worden. Tatsächlich aber sind Übergriffe, Entführungen, Mord und Vergewaltigungen, Terror und Einschüchterungen an der Tagesordnung. Dies berichten immer wieder (sehr wenige) Informanten, Menschenrechtsorganisationen und andere parlamentarische Untersuchungskommissionen, sofern sie in das Land hineingelassen werden.

Medien, d.h. Pressevertreter dürfen und können nur mit offizieller Anmeldung und Genehmigung nach Tschetschenien. Alles wird überwacht und streng kontrolliert: der Flughafen, die wenigen Eisenbahnlinien, alle Strassen. Staatliche „Führer“ folgen Medien auf Schritt und Tritt – eine unabhängige Berichterstattung ist nicht möglich.

Trotzdem gibt es immer wieder Journalisten, die es im Dienste der Öffentlichkeit riskieren. Anna POLITKOVSKAJA war eine von ihnen – rund 50 heimliche Recherchereisen hatte sie unternommen und letztlich dafür mit ihrem Leben bezahlt.

Zwei Moskauer Korrespondenten aus Deutschland, Tomas AVENARIUS für die Süddeutsche Zeitung und Florian HASSEL für die Frankfurter Rundschau, hatten sich 2002 zusammengetan, obwohl sie eigentlich ‚Konkurrenten’ waren. Sie sind ebenfalls heimlich und unerkannt nach Tschetschenien gefahren, um von dort – wenigstens zwischendurch mal – authentisch darüber berichten zu können, was dort vor sich geht.

„Der Vergessene Krieg“ – so haben sie ihre Berichte beschrieben, die in Deutschland parallel in der Süddeutschen Zeitung (SZ) und der Frankfurter Rundschau (FR) zu lesen waren.

Da Tschetschenien auch in unserer Aufmerksamkeit oder Gedächtnis weit weg ist, haben wir – um die Zusammenhänge deutlich zu machen – 2 Chronologien über das Land zusammengestellt: einen kurzen Überblick, in dem nur die allerwichtigsten Informationen ganz knapp enthalten sind, und eine etwas längere Chronologie, die auch ein klein wenig historisch den Ablauf der Ereignisse erklären kann.

Derjenigen, der im Westen das größte Verdienst um Aufklärung gebührt, ist ein ausführliches Portrait gewidmet: Anna POLITKOVSKAJA.

Über die Zeitung, für die sie geschrieben hatte, die Novaja Gazeta in Moskau, wird es künftig Informationen beim Wächterpreis geben. Das kleine, aber unerschrockene Blatt, hat 2007 den Henri-Nannen-Preis für ihr Engagement in Sachen Pressefreiheit zugesprochen bekommen.

Über eine andere Zeitung aus Tschetschenien für Tschetschenien, die sich in den ganzen kriegerischen und politischen Wirren bis heute unabhängig erhalten konnte, werden wir zeitnah ebenso informieren. Die Zeitung publiziert auch in englischer Sprache: Tschetschenskoe bzw. Chechen Society.

Offiziell existieren in Russland demokratische Spielregeln und ebenso amtlich bestätigt herrscht dort Pressefreiheit. Wir stellen einige Informationen zusammen, die dieses Bild ein wenig trüben: Pressefreiheit in Russland.

Dazu gehört – leider – auch eine Liste all der Namen, die im Zusammenhang mit der Berichterstattung aus oder über Tschetschenien ums Leben gekommen sind: Getötete und ermordete Journalisten.

Redaktion Wächterpreis

Dossier TSCHETSCHENIEN 

Filed under: Dokumentation, Frankfurter Rundschau, investigativer Journalismus, Journalismus, Korruption, Krieg, Medien, Politik, Pressefreiheit, Recherche, Russland, Süddeutsche Zeitung, Tschetschenien, Wächterpreis