ansTageslicht.de

Blog: Dokumentationszentrum Couragierte Recherchen und Reportagen

ansTageslicht.de goes Moskau

Das große Projekt/Experiment:

Was schon lange angedacht war (seit Ende 2006), wird jetzt Realität: ansTageslicht.de goes Moskau. Dazu ist eine feste Kooperation zwischen dem Freien Russisch-Deutschen Institut für Publizistik FRDIP (www.frdip.ru) an Russlands größter Universität, der Moscow State University MGU (Lomonossov-Uni) und dem DokZentrum ansTageslicht.de an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg vereinbart. Auch wenn die Uhren in Russland (immer noch) anders ticken, soll das Ziel konsequent angegangen werden

• Geschichten und Themen aus Deutschland auch in Russland
• gleiches aus der Russischen Föderation für Deutschland
• beides in beiden Sprachen.

Letzteres wird die Endbaubaustufe sein (auf www.vsvet.org).

Realistischerweise wird sich dies nur in mehreren Stufen verwirklichen lassen – wir betrachten das ganze Projekt als Experiment. Wer aber nichts (oder wenig) wagt, kann nicht gewinnen.

Konkret werden die beiden DokZentrums-Verantwortlichen (siehe Rückfragen) vom 22. bis 26. März in einem Blockseminar mit deutschsprechenden Journalismus-Studenten am FRDIP das Projekt vorstellen und diskutieren. Außerdem stehen Recherchetechniken auf dem Programm. Im Sommer sollen die Studierenden nach Hamburg kommen, um a) das DokZentrum für Russland weiter zu entwickeln, b) einschlägige Medien zu besuchen und c) Kontakte zu hiesigen Studenten zu knüpfen, um Netzwerke auch in Deutschland aufzubauen.

Auch der Berater des russischen Präsidenten Medwedew, Igor Yurgens (www.insor-russia.ru) ist der Meinung, dass die anstehende Modernisierung Russlands nicht nur von oben angeordnet werden kann, sondern dass sie auch ‚von unten’ kommen muss. Die Kenntnis von Alternativen und anderen Optionen sowie die Erkenntnis, dass man nicht alles lassen muss, wie es ist, sind dafür eine wesentliche Voraussetzung. Auch deswegen lautet das Motto des DokZentrums: Medien und Menschen verändern die Welt…

Parallele Aktivitäten:

In Vorbereitung der jetzt anlaufenden Kooperation zwischen Russland und Deutschland hatte das DokZentrum im Wintersemester in Zusammenarbeit mit der HAW, der ZEIT-Stiftung und der Universität Hamburg/Osteuropastudien eine mehrteilige Diskussionsveranstaltung mit Gästen u.a. aus Russland und Osteuropa organisiert (siehe dazu www.medien-und-demokratie.eu).
Bis zum Sommer wird auch das Lehrbuch „Investigativer Journalismus“ in russische übersetzt und dann frei für jeden auf der Plattform www.poisk-faktov.org nutzbar sein.

Inzwischen ist „ansTageslicht.de“ auch auf Facebook vertreten: www.facebook.com/ansTageslicht.de, ebenso bei Twitter: www.twitter.com/ansTageslichtde

Rückfragen:

1) Prof. Dr. Johannes Ludwig, mail@johannesludwig.de, 0176 – 52 00 69 15 bzw. in Moskau unter 007 – 962 – 933 11 76

2) Ingo Eggert, redaktion@ansTageslicht.de, 0174 – 291 76 01

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„Initiativkreis Bildung“

von Thomas Barth und Oliver Schwedes

zurück zum Start: Der Lockruf der Stifter

Bereits 1998 hatte die Bertelsmann-Stiftung den „Initiativkreis Bildung“ unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten Roman Herzog und mit Expertise aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und pädagogischer Praxis gegründet. Sein Memorandum „Zukunft gewinnen – Bildung erneuern“ von 1999 gleicht dem Bericht der NRW-Bildungskommission – neu ist nur der auf die spezifischen Interessen der Wirtschaft gerichtete Fokus. Gefordert wird die flexible lebenslange Vermittlung von Bildungsbausteinen in Form variabler Module für den Berufsalltag, gefördert durch eine pauschale, befristete Sockelfinanzierung für alle Studierenden, inklusive Bildungssparen und Darlehen. [14] Dieses Bildungsfinanzierungskonzept stammt von einer Expertenkommission des CHE und des „Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft“, der 1949 als Förderverein der deutschen Wirtschaft gegründet wurde. Als Lobbyorganisation verwaltet er für 21 Stiftungen fast das gesamte Stiftungsvermögen der Privatwirtschaft.

Der Stifterverband und das CHE legten 1999 ein Gesamtkonzept zur Neuordnung der Bildungsfinanzierung im Hochschulbereich vor, das in enger Zusammenarbeit mit dem „Initiativkreis Bildung“ entstand. Angesichts knapper Finanzausstattungen war das Ziel die Etablierung einer Anbieter-Nachfrager Beziehung, wobei die Beiträge der Studierenden 20 bis 30 Prozent der Ausbildungskosten bzw. 500 bis 1500 Euro pro Semester ausmachen sollen. Eine zwischen den Darlehensnehmer und die Bank geschaltete Studienkreditanstalt übernimmt Ausfallbürgschaften.

Aus alledem ergibt sich eine vielfältig verflochtene Akteurskonstellation, die sich massiv für eine durch Kommerzialisierung, unter anderem mittels Studiengebühren, und Privatisierung geprägte Bildungsfinanzierung einsetzt. Die Bertelsmann-Stiftung fungiert dabei als treibende Kraft. Ihre Verbindung mit den mehrheitlich konservativen Hochschulrektoren und dem „Stifterverband“ der Privatwirtschaft kann nicht verwundern, ihre Beziehung zur gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung und zur Heinrich-Böll-Stiftung der Grünen spricht dagegen für eine subtile Bündnistaktik.

Als eine Gewerkschaftsinitiative konstituierte sich 1997 der Sachverständigenrat Bildung der Hans-Böckler-Stiftung. Vorsitzender wurde Ex-GEW-Chef Dieter Wunder, der auch im „Initiativkreis Bildung“ der Bertelsmann-Stiftung tätig ist. Dazu gesellten sich Sybille Volkholz, ehemals bildungspolitische Sprecherin der Berliner Grünen, später Vorsitzende der Bildungskommission der Heinrich-Böll-Stiftung, sowie die dem CHE und Stifterverband nahe stehenden Professoren Klaus Klemm und Jürgen Lüthje. Im Oktober 1998 legte der Sachverständigenrat einen Vorschlag zur Bildungsfinanzierung vor, der Bildungskonten, Bildungsgutscheine, Bildungssparen sowie Bildungsdarlehen mit einer staatlichen Sockelfinanzierung kombiniert. [15] Dieses Modell ist nicht auf die Hochschule beschränkt, sondern soll schon nach der Pflichtschulzeit, also ab Sekundarstufe I, gelten. Auch die gymnasialen Oberstufe würde dann teilweise über private Bildungskonten finanziert.

Kurz nach der Veröffentlichung fand sich Dieter Wunder in der Bildungskommission der grünen Heinrich-Böll-Stiftung wieder, zusammen mit Cornelia Stern von Bertelsmann. [16] Im März 2001 legte dann auch die Bildungskommission der Heinrich-Böll-Stiftung ihre Vorschläge vor. [17] Die Notwendigkeit einer individuellen Finanzierung durch die Bildungsnachfrager wird von der Kommission mit den Anforderungen der Wissens- und Zivilgesellschaft begründet. Ein Prinzip angeblicher Nachhaltigkeit stützt sich explizit auf das Prinzip „Geld folgt Subjekten“, wie es von Stifterverband und CHE entwickelt wurde. Indem zukünftig den Bildungsnachfragern öffentliche Mittel zur Verfügung gestellt werden sollen, die vorher den Bildungseinrichtungen direkt zukamen, würde ihr individueller Kundenstatus gestärkt und ein Wettbewerb der Bildungsinstitutionen forciert. Bildungskonten, -sparen, -darlehen und -gutscheine finden sich auch hier und sollen, wie schon bei der Böckler- Stiftung, künftig auf das gesamte Bildungssystem auszuweiten sein.

Die hier vorgestellten, den aktuellen Bildungsdiskurs bestimmenden Vorschläge zur Bildungsfinanzierung stimmen weitgehend überein. Sie wollen die staatlich garantierte individuelle Kostenfreiheit im Bereich der institutionellen Finanzierung zu Gunsten eines privaten Beitragsmodells aufweichen. Am weitesten geht dabei seltsamerweise der Sachverständigenrat der gewerkschaftsnahen Böckler-Stiftung. Ihm folgend würde die individuelle Kostenfreiheit schon ab Sekundarstufe II, das heißt für die gymnasiale Oberstufe, aufgehoben und durch eine zehnprozentige Eigenbeteiligung ergänzt. Im Hochschulbereich soll die Eigenbeteiligung auf 30 Prozent gesteigert werden. Schließlich soll das Modell der Eigenbeteiligung auf den Primar- und Sekundarbereich ausgedehnt werden, sobald auch in diesen Bildungssegmenten Marktbedingungen etabliert sind. Sowohl der „Initiativkreis Bildung“ der Bertelsmann-Stiftung als auch der Stifterverband der Privatwirtschaft und das CHE propagieren, neben der privaten Teilfinanzierung über Bildungskonten, die Einführung von Studiengebühren.

weiterlesen: Erfolgreiche Lobbyarbeit unter Rot-Grün

Erschienen in Blätter für deutsche und internationale Politik (www.blaetter.de)

Literatur:

[14] Initiativkreis Bildung der Bertelsmann-Stiftung, Zukunft gewinnen – Bildung erneuern, Gütersloh 1999, S. 51.

[15] Sachverständigenrat Bildung bei der Hans-Böckler-Stiftung, Für ein verändertes System der Bildungsfinanzierung, Düsseldorf 1998.

[16] Die Böckler-Böll-Bertelsmann-Connection setzt sich aktuell im Netzwerk Europäische Lernprozesse (NELP) fort, vgl. dessen Manifest „Bildung für die Arbeits- und Wissensgesellschaft“, Hannover 2002.

[17] Heinrich-Böll-Stiftung, Bildungsfinanzierung in der Wissensgesellschaft, Berlin 2001.

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