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Gasprom (Gazprom)

von Philipp Fahr

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Mittlerweile spielt der russische Mischkonzern Gasprom in der EU eine immer wichtigere Rolle, nicht nur als wichtigster Gaslieferant Deutschlands, sondern seit kurzem auch als Sponsor von Sportveranstaltungen und der Fußballmannschaft Schalke 04. Gasprom ist mittlerweile an der Börse das teuerste Unternehmen Europas (Wert über 230-290 Milliarden US-Dollar im März 2007) und an fünfter Stelle weltweit (hinter den Konzernen Toyota, Microsoft, General Electric und Exxon Mobil) [17]. Damit ist Gasprom mehr wert als das Bruttosozialprodukt von 165 der 192 in der UNO vertretenden Nationen. Gasprom kontrolliert ein Sechstel der weltweiten Erdgasreserven und hat die Macht die Wohnungen Westeuropas mit dem Zudrehen seiner Hähne erkalten zu lassen. Sein Anteil am BIP in Russland beträgt über 8%. Gasprom hat knapp 400.000 Mitarbeiter, 44 Mrd. Dollar Jahresumsatz und 2006 ein Gewinn nach Steuern von 7,5 Mrd. Dollar eingefahren.

Deutschlands Gas hängt vor allem an den Netzen Norwegens und Russlands. Gasprom liefert ca. 30% des deutschen Gases, aber Deutschland ist größter und damit wichtigster Kunde von Gasprom. Estland und die Slowakei hängen zu 100% am Gaspromnetz. Griechenland zu 80% und Polen zu ca. 60% [17].

Im Fall Gasprom sind Wirtschaft und Politik moch enger miteinander verbunden, als die oben genannten Beispiele in Deutschland. Der stellvertretende Ministerpräsident Russlands, Dimitri Medvedev ist gleichzietig Aufsichtsratschef von Gasprom. In dem Gremium sitzen außerdem Wirtschaftsminister German Gref und Industrieminister Viktor Christenko, die auch dem derzeitigen Kabinett Putins angehören. Noch markanter aber ist, daß der derzeitige Vorstandsvorsitzender von Gasprom, Miller, früher unter seinem Chef Vladimir Putin in der Stadtregierung von St. Petersbourg im Kommitte für Auslandsbeziehungen Karriere machte. Parallelen zum Verhältnis Tacke-Müller tun sich auf. Vor Miller und direkt nach Jelzins Machtergreifung 1989, war Viktor Tschernomyrdin Gasprom-Chef. Davor, zu Zeiten der Sowietunion war Tschernomyrdin Gasminister. Unter Jelzin wurde er dann Ministerpräsident. Im Juni 1999 wurde Tschernomyrdin wieder Gaspromaufsichtsratsvorsitzender, bevor Putin ihn durch Miller ersetzte und Tschernomyrdin später Botschafter in Kiev werden ließ [17,18]. Der Ukraine drehte Gasprom Anfang 2005 teilweise den Gashahn ab, mit Hinweis auf Dumpingpreise, die die Ukraine bisher angeblich zahlte. Ein Schelm wer böses dabei denkt, daß ausgerechnet der russische Botschafter in der Ukraine, Tschernomyrdin, die Verhandlungen so zum Abschluß brachte, daß Kiev seitdem mehr für Gas an Gasprom zahlt.

Am schlimmsten ist aber, daß – nach Schätzung des Moskauer Journalistenverbandes – Gasprom direkt und indirekt zwei Drittel der russischen Presse kontrolliert.

Die Verbindung Gerhard Schröders zu Gasprom und der Ostseepipeline wurde bereits erwähnt, allerdings ist Schröder nicht mehr Putins wichtigste Kontaktperson in Deutschland, sondern Dr. Burckhard Bergmann. Dieser ist Chef von E.ON Ruhrgas und bereits seit längerem ebenfalls Mitglied des Aufsichtrates bei Gasprom in Moskau. E.ON ist mit 6,4% (d.h. mit ca. 16 Mrd. Dollar, März 2007) an Gasprom beteiligt. E.ON ist auch einer der größten Gasabnehmer Gasproms in Deutschland. Zu allem Überfluß hat Putin im November 2006 den E.ON Manager Bergmann zum Honorarkonsul für Nordrhein-Westfalen ernannt, mit dem Kommentar: „Sie sind jetzt mein wichtigster Mitarbeiter in Deutschland“ [17].

Philipp Fahr, 28, Doktorand, Fakultät für Mathematik, Universität Bielefeld

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Dossier ENERGIE

Literatur:

[17] DER SPIEGEL Nr.10, Der Staat Gasprom, Putins Energie-Imperium, 5.3.2007.

[18] Roth Jürgen: Der Deutschland-Clan, Das skrupellose Netzwerk aus Politikern,
Top-Managern und Justiz. Eichborn, Frankfurt a.M., Mai 2006.

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